Ake Edwardson: Rotes Meer. Ullstein

Blick auf die Parallelgesellschaft
Drei Tote in einem Laden, der auch über Nach geöffnet hat, drei Tote in einem Viertel von Göteborg, in dem fast nur Immigranten leben, - ein rätselhafter Fall, der Erik Winter an seine Grenzen treibt. Denn eines ist klar, Unterstützung von der Bevölkerung  kann die Polizei hier keine erwarten. Es passiert dann auch nicht weiter viel, außer dass die Polizisten ständig an eine Mauer des Schweigens stoßen. Der Taxifahrer, der die Toten - einen Afrikaner und Männer aus dem Nahen Osten - gemeldet hat, glaubt sich zu erinnern, dass er  leise Schritte eines laufenden Kindes gehört hat. Das Kind kann nicht gefunden werden und geht Winter doch ständig im Kopf herum. Er hat das Gefühl, beobachtet zu werden, wenn er erfolglos von Wohnung zu Wohnung geht und überall auf ähnliche Bilder trifft. Die Mütter, die kein Wort Schwedisch verstehen, sind verstummt. Sie kochen Tee für Winter, haben keine Ahnung, was ihre Söhne draußen in der feindlich - fremden Welt treiben; die Töchter  schweigen ebenfalls, haben ihre Heimlichkeiten und werden von den männlichen Verwandten überwacht. Es sind schnelle, lakonische Dialoge, die die Polizisten miteinander führen. Sie spinnen Geschichten aus, versuchen phantasievolle Rekonstruktionen, um diese große Stille zu füllen. Die Befragten haben Angst, abgeschoben, weiterverschickt zu werden, sie  fürchten sich auch vor Racheaktionen der eigenen Landsleute; der Dolmetscher weiß etwas, sagt aber nichts. Ein Informant wird umgebracht, man findet das Blut eines zweiten Menschen am Tatort. Wieder will sich niemand erinnern, irgendetwas gesehen zu haben. „Rotes Meer" ist ein beklemmender Blick in eine Parallelgesellschaft, die ihre Stimme nur in inneren Monologen erhebt. Auf einer früheren Zeitebene sind Erinnerungen an Flucht, Soldaten, Genozid eingestreut. Das macht das Gefühl ständigen Bedrohtseins begreifbar. Edwardson begegnet dieser ihm sich verschließenden Welt nicht hochmütig, sondern um Verständnis werbend. Er generiert keine weiteren Vorurteile über Nichtintegrierbarkeit, sondern zeigt, woher diese Verweigerung kommt. Ein Krimi, wenn er gut ist, lebt nicht nur von  Verbrechen, er kann auch zur Humanisierung beitragen.


KEINE TRACKBACKS

TRACKBACK URL: http://mt.instant.at/mt-tb.cgi/13

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by