Charles Todd: Zeit der Raben, Heyne

Stimme im Kopf
Heute nennt man es Belastungstrauma, damals, nach dem Ersten Weltkrieg, hieß es Schützengrabenneurose. Wie auch immer, Inspektor Rutlege ist seit seinem Einsatz in Frankreich fürs Leben gezeichnet. Er fürchtet sich vor Bindungen, hat Gedächtnislücken, übelste Panikattacken und ist wuterfüllt, wenn er an die arbeitslosen Kriegsinvaliden denkt, die betteln gehen müssen, während die Verantwortlichen für die sinnlos in den Tod geschickten jungen Männer anscheinend ohne Gewissensbisse weiterleben. Er hingegen leidet an Schuldgefühlen, weil er die grausamen Schlachten überlebt hat. Rutledge hat seitdem einen unsichtbaren Begleiter, den Geist eines Kameraden, der im Krieg gefallen ist und der Kommentare und Warnungen abzugeben pflegt. Charles Todds beschädigter Held geht seiner Profession in einer Zeit der gesellschaftlichen Umwälzungen nach. Nicht nur der Krieg hat viele junge Männer hinweggerafft, die große Grippeepidemie von 1918  reduzierte die Bevölkerung weiter und schuf ein Klima der allgemeinen Verunsicherung. Die Todesstrafe ist noch nicht abgeschafft, umso größere Verantwortung trifft den Ermittler, der ohne Psychologen, DNA-Analysen, Forensik und ohne Handy im ländlichen England einen merkwürdigen Mordfall aufklären soll. Ein Polizist wird von einem Pfeil getroffen, als er in einem unheimlichen Wäldchen, das kein Einheimischer betritt, nach der Leiche eines verschwundenen Mädchens sucht. Rutleges Erscheinen im Dorf löst wenig Begeisterung aus, jemand scheint hinter dem Inspektor her zu sein, der sich so gut wie unsichtbar machen kann. Der verletzte Kollege hütet ein Geheimnis, aber manche Keller bergen noch viel grässlichere Überraschungen. Ein vorzüglicher historischer Krimi in Molltönen, welcher in Form eines eher unscheinbaren Taschenbuchs daherkommt, aber nicht übersehen werden soll.


KEINE TRACKBACKS

TRACKBACK URL: http://mt.instant.at/mt-tb.cgi/54

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by