John le Carré: Marionetten. Ullstein

Allgemeine Paranoia
Alles schillert, nichts ist eindeutig. Das ist so bei Spionagethrillern und natürlich auch beim Altmeister John le Carré, der sich diesmal mit der allgemeinen Paranoia seit 9/11 befasst.  Die Figuren kommen ein bisschen klischeehaft daher: der soignierte schottische Bankier, der schmutziges Geld für zweifelhafte Kunden notfalls Jahrzehnte bunkert. Die beherzte und dauerempörte Anwältin, ein bisschen links und aus gutem Haus, die unbedingt einen armen Verfolgten retten muss, dann  dieser illegal nach Hamburg eingesickerte Moslem Issa selbst, reichlich verwirrt und von zwiespältigem Charakter. Für den interessieren sich die diversen Geheimdienstler aus Deutschland, England und Amerika, untereinander spinnefeind und eifersüchtig auf ihr Revier bedacht. Ist Issa („Jesus") tatsächlich ein gefolterter, harmloser Abkömmling eines russischen Vergewaltigers und einer Tschetschenin, dessen größter Wunsch es ist, in Deutschland Medizin zu studieren? Oder wird er demnächst, etwa mit einem Sprengstoffgürtel oder Schlimmerem ausgestattet, in Hamburg ein Blutbad anrichten? Was ist das tatsächliche Gesicht des moslemischen Geistlichen, der Frieden und Toleranz predigt, aber als Finanzier diverse islamische Hilfsorganisationen unterstützt, die nicht astrein erscheinen? Le Carré lässt vieles offen, schildert aber plastisch die trickreichen Versuche, Menschen „umzudrehen", als Informanten zu instrumentalisieren indem man sie glauben macht, ein gutes Werk zu tun - was ja vielleicht tatsächlich der Fall ist. Dass dabei der Rechtsstaat erodiert, ist ein Kollateralschaden, den die Geheimdienstler mehr oder weniger achselzuckend hinnehmen. Soweit ist das alles nichts Neues, aber in Form eines routinierten Thrillers eingängig zu lesen.

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