Tom Rob Smith: Kind 44. DuMont

In Zeiten des Terrors
Der russische Serienmörder Andrej Tschikatilo hat die Inspiration geliefert, aber  was der in London lebende Autor daraus gemacht hat ist weit mehr als ein Krimi. Er lässt seinen Roman 1933, in den Zeiten des stalinistischen Terrors beginnen, als die Bauern zu Hunderttausenden verhungerten und kleine Kinder getötet wurden, um sie aufzuessen. Ein Bub verschwindet. Die Geschichte bricht ab. 1953, als der Terror immer noch wütet, findet man Kinderleichen im Wald; der Geheimdienstmann Leo Demidow  will die Fälle klären, aber die Partei verbietet es ihm. Im vollkommenen Kommunismus kann es solche  Verbrechen gar nicht geben, weil ja das irdische Paradies vor der Tür steht. Leo ist als Kriegsheld und zunächst unantastbar, aber als er aber hartnäckig weiter ermittelt, spielt er mit seinem Leben. Seine Frau wird als Spionin denunziert was im Normalfall  die Erschießung nach sich zieht. Doch man verbannt die beiden in die düsterste Provinz. Leo, der bislang politische Abweichler ans Messer geliefert hat, ist desillusioniert, er führt einen aussichtslosen Kampf um die Wahrheit und als ihm seine Frau eröffnet, dass sie ihn nur geheiratet hat, weil sie sich fürchtete ihn abzuweisen und deshalb in der  Todeszelle zu landen, bricht seine Welt zusammen. Smith versteht es, mit großer Eindringlichkeit und Meisterschaft, die Atmosphäre der ständigen Bedrohung erfühlbar zu machen. Wer ist wirklich so stark, seinem Partner der Leben zu retten und dafür sein eigenes zu verlieren? Alle natürlichen Loyalitäten lösen sich in den Zeiten des Terrors auf, der Mensch wird auf  den nackten Überlebenstrieb reduziert. Das ist das eigentlich Schaurige an diesem packenden Roman: die Brüchigkeit der Zivilisation, demonstriert nicht an einem erfundenen, sondern historischen Beispiel.


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