März 2009 Archives

Tödliche Feindschaft

Rosenkriege sind hässlich, besonders wenn ein Kombattant dabei ermordet wird. Alan Lee, ein ebenso skrupelloser wie reicher Geschäftsmann wird erschossen. Hauptverdächtige ist seine Noch-Ehefrau, die er jahrelang betrogen und geschlagen hatte. Da das alles in Malaysia spielt, wo es noch die Todesstrafe gibt, bereitet sich die schöne Chelsea resigniert darauf vor, gehängt zu werden. Alan hat seiner Frau noch post mortem üble Rache angedeihen lassen. Er ist heimlich zum Islam übergetreten womit seine drei Kinder automatisch zu Mohammedanern geworden sind und laut Scharia-Gericht nicht bei der ungläubigen Mutter bleiben können, sondern zu einer mohammedanischen Pflegefamilie gebracht werden sollen. Der Retter in der abgrundtiefen Finsternis ist kein strahlender Ritter, sondern der fette Inspektor Singh, ein Sturschädel aus Singapur, der Chelsea pro forma beistehen soll. Sie ist nämlich Bürgerin von Singapur und die dortigen Politiker wollen demonstrieren, dass sie sich um ihre Einwohner im Ausland kümmern. So irrwitzig dieser Fall auch scheint, stammt er doch von eine Autorin, die sich im Justizwesen von Malaysia auskennt und einigen Realitätsbezug in Anspruch nehmen darf: Shamini Flint war Rechtsanwältin in Malaysia und Singapur, Die tödliche Familie Lee (Langen Müller) ist ihr erster Krimi. Neben der innerfamiliären Tragödie reißt sie auch noch ein anderes Thema an, das für Südostasien höchst aktuell ist. Es geht um die illegale Rodung von Regenwäldern, die Vertreibung und Ermordung von Eingeborenen und eine korrupte Politik, die von Schlägerungen und Waldbränden profitiert. An weiteren Kalamitäten in die sich Inspektor Singh verstricken kann, wird kein Mangel herrschen.

Hirnkontrolle

Das Taschenbuch ist dick (533 Seiten) und transportiert neben der üblichen Jagd nach einem Mörder die Diskussion über die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung. Es geht um die Frage: hat der Mensch einen freien Willen oder ist das eine Illusion weil wir alle von der Chemie in unserem Gehirnen gesteuert werden? Je genauer die Forscher mit der modernsten Technik dem Gehirn beim Denken zuschauen können, desto wahrscheinlicher wird es, dass man eines Tags Psychopathen, Terroristen und ähnlich unerwünschte Elemente  von den sogenannten „Normalen" mit einer unauffälligen Gehirnaktivität trennen wird können. Das führt in letzter Konsequenz zur Gedankenkontrolle, sehr erwünscht von totalitären Systemen aller Art. Der deutsche Thrillerautor Jens Johler verpackt diesen etwas sperrigen Stoff in eine Story um einen Mörder, der versucht auf einem Fachkongress mit den aus seiner Sicht gewissenlosen, von der Industrie bezahlten Hirnforschern aufzuräumen. Dabei kommt ihm der Wissenschaftsjournalist Troller in die Quere, - einmal kein Held aus der Exekutive, sondern ein engagierter Bürger, der dem Absolutheitsanspruch der Wissenschaft auch kritisch gegenübersteht. Troller wird daher zum vermeintlichen Verbündeten des Killers. Troller versucht, den Mörder zu finden und erweist sich dabei als etwas zu findig für einen Laien. Aber seis drum, die Kritik der mörderischen Vernunft (Ullstein) kann komplizierte Sachverhalte - auch aus ihrem historischen Kontext - verständlich aufbereiten, so funktioniert Weiterbildung ganz nabenbei. 

16.03.09

Will man Franz Friedrich Altmann glauben gibt's im Mühlviertel nur zwei Freitzeigestaltungen: Tarockieren und Saufen. Da ist es schwer, entsprechende Aufmacher für die Mühlviertler Nachrichten zu schreiben. Das ändert sich, als die Leiche eines Jungbauern in einem Siloballen gefunden wird. Die Journalistin Gucki, die sich zu Höherem berufen fühlt, schmeißt sich ins Zeug, weil  sie hofft, dass ihr mit Exklusivgeschichten über den Mord der Karrieresprung in ein Wiener Printmedium gelingen wird. Der Tarockierrunde kommen jedenfalls die Mitglieder abhanden, und Gucki versucht unter beträchtlichem Alkoholkonsum herauszufinden, wo der Bösewicht steckt. Die ländlichen Gegenden, das wurde schon zur Genüge geschildert, sind schräg, ein wenig zurückgeblieben, voller Nazis sowieso und das Wetter ist auch zum Vergessen. Die Geschichte Turrinis Nase -womit nicht der Dichter, sondern ein gleichnamiger Hund gemeint ist (Leykam Verlag) - spielt zu Zeiten, als man noch in Schilling zahlte, ist also quasi nostalgisch. Und nostalgisch sind auch der Sprachduktus und das Vokabular, dem Altman verfallen ist. Denn er imitiert den Großmeister Wolf Haas. Womit er nicht der erste ist, der meint, dass der Provinz nur auf  Haas-Weise beizukommen ist. Das ist mäßig unterhaltsam, bitte keine Trittbrettfahrer mehr!

15.03.09

Dreizehn Jahre lang war das Verschwinden einer jungen Frau nicht aufgeklärt. Harry (Hieronymus) Bosch, aus den Ruhestand zurückgekehrter Detective - und den Fans von Michael Connelly seit Jahren ein treuer Begleiter- greift den Fall immer wieder auf sucht nach neuen Spuren und vergessenen Hinweisen. Er hat einen bestimmten Verdacht, aber der Verdächtige ist der Sohn eines einflussreichen Ölbarons aus L.A. und Harry kann ihm trotz jahrelanger Ermittlungen nichts Entscheidendes nachweisen. Da wird durch Zufall ein Serienmörder gefasst, der behauptet, etwas über die verschwundene Frau zu wissen. Er möchte mit dem Leben davonkommen und handelt einen Deal aus. Wenn er zur Aufklärung des Falls beiträgt, entgeht er der Todesstrafe. Aber der Killer lügt. Er hat diesen Mord offensichtlich nicht begangen, führt aber die Ermittler zur Leiche der Frau. Während dieser Begehung im Wald schafft es der Mörder zu entkommen und Tote und Schwerverletzte zu hinterlassen. Ein Desaster, für das die Politiker umgehend jede Verantwortung abstreiten. Harry wird als Sündenbock benützt und suspendiert. Aber die Geschichte ist noch lange nicht zuende. Echo Park (Heyne) ist ein dramatischer, spannender Krimi über Korruption und Politik. Eines der Lieblingsthemen des Autors, der sich  auch in seinen Krimis wie Schwarze Engel (ebenfalls bei Heyne) oder die Rückkehr des Poeten (Heyne) mit Bestechung und pflichtvergessenen Polizisten befasst hat. Feiner Stoff!

06.03.09

Was ist das: eine Doku? Ein Fake? Ein Thriller? Ein Beitrag zum Weltfrauentag? Die erfolgsverwöhnte schwedische Krimiautorin Liza Marklund erzählte in „Mia" von einem Mädchen, das als freiwillige Helferin bei der Flüchtlingsbetreuung arbeitet, sich in einen Libanesen verliebt und diesen heiratet. Leider erweist sich der Muslim als  -gelinde gesagt- besitzergreifend. Er versucht Mia einzusperren und zu isolieren. Als sie sich nach zahlreichen schweren Misshandlungen zu wehren beginnt, geht der Terror erst recht los. Mia wird fast umgebracht, die Sippe des Libanesen beteiligt sich erfolgreich auf der Jagd nach ihr und der kleinen Tochter. Auch als Mia einen neuen Mann kennenlernt, den sie heiratet, hört die Lebensbedrohung nicht auf. Skandalöserweise greift die Justiz nicht durch. Einerseits, weil es angeblich an konkreten Straftatbeständen fehle, andererseits, weil auch im fortschrittlichen Schweden die Bedrohung von Frauen und Kindern  nicht rasend erst genommen wird. Marklund schildert das unerträgliche Leben der gehetzten Familie, die Identitätswechsel, schließlich die monatelange Gefangenschaft im Versteck, was zu erheblichen psychischen Schäden bei Mia und ihren Kindern führt. Im zweiten Teil Mias Flucht (Kindler) der jetzt vorliegt, werden die weiteren Befreiungsversuche Mias geschildert, die fortgesetzten Attacken des Verfolgers und seiner Freunde, und schließlich das verrückte Erkenntnis der schwedischen Justiz, dass es für die Familie tatsächlich besser, ja unumgänglich sei, im Ausland unterzutauchen. Als der Libanese auch noch  das Sorgerecht für die kleine Tochter, die er mit dem Umbringen bedroht hat, beantragt, flüchtet Mia mit ihrer Familie nach Südamerika. Der Aufbau einer neuen Existenz ist schwer, sich einzufügen in eine fremde Kultur noch mehr. Schließlich schafft Mia die Flucht in die USA wo sie nach zähem Ringen als erste Schwedin einen Asylantrag durchbringt. Da Ihr Verfolger nicht in die USA einreisen darf, befindet sie sich endlich in Sicherheit. Ein Happy End für eine Frau und ihre Kinder, die in den Medien auch als Dreizeiler über eine letale familiäre Auseinandersetzung geendet haben könnten.
Marklund berichtet das alles sehr farbig und überzeugend. Sie ergreift  unbedingt Partei für das Opfer, das ist hoch emotionell und Marklund hat behauptet, ein wahres Schicksal zu beschreiben. Stimmt nicht, sagt nun eine andere schwedische Journalistin. Die Bücher, die sich um das Leben „Mias" drehen, seien alle erfunden. Marklund wiederum beharrt auf der Authentizität ihrer Quelle. Die Auseinandersetzungen scheinen noch lange nicht ausgestanden, zumal die Bücher enorme Auflagen erreichen und  die Diskussion weiter am Kochen halten werden.
Übrigens: die Strafjustiz in Österreich ist diesbezüglich auch nicht gerade effizient:  die Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie berichtet, dass jede fünfte Frau in Österreich einmal im Leben von Gewalt betroffen sei. Im vergangenen Jahr landeten 4000 Meldungen über Gewalt bei der Polizei, 40 Männer nahmen an einem Anti-Gewalttraining teil,  nicht einmal zehn Prozent  der Stalking-Anzeigen führen zu einer Anklage. Da, so die  Sprecherin, die Staatsanwaltschaft oft zugunsten der Beschuldigten entscheide, würden viele Opfer den Glauben an den Rechtsstaat verlieren. Genau diesen Prozess beschreibt Marklund -Doku hin, Fiktion her- anhand des Falles „Mia".





04.03.09

Wird er oder wird er nicht? Nämlich ein Baby oder eine Frau mit seinem Eispickel töten. Das ist die Kernfrage in Ryu Murakamis befremdlichen Roman Piercing (Liebeskind). Nun weiß man ja, dass Japaner schwer zu verstehen sind, merkwürdigen Sexpraktiken frönen und Dinge anturnend finden, die anderswo höchstens eine verschwindende Minderheit begeistern können. All diese Klischees finden hier ihre schönste Bestätigung und werden damit auch ironisiert. Der junge Familienvater Masayuki Kawashima hat Angst, dass er sich eines Tages nicht mehr beherrschen kann und dem Trieb nachgeben muss, sein Kind umzubringen. Schließlich hat er schon einmal eine Frau mit einem Eispickel verletzt, als sie unter der Dusche stand... Also nimmt sich Kawashima eine Auszeit, mietet sich in einem Hotel ein und bestellt eine Prostituierte. Er bereitet sich gewissenhaft auf den Mord vor, verwischt seine Spuren, und prägt sich einen bestimmten Ablauf ein. Doch was für ein böser Zufall: das Mädchen, das er sich ausgesucht hat ist mindestens so gestört wie er selbst und benimmt sich höchst eigenartig. Sie schließt sich im Bad ein und fügt sich heftig blutende Wunden zu. Kawashimas Pläne werden über den Haufen geworfen; er meint, das Mädchen sei eine todessüchtige Erotomanin, die Selbstmord begehen will. Eine verzwickte Situation und wie Murakami sie auflöst ist wiederum sehr seltsam. Krimi oder nicht? Eher eine irre Psychokiste ohne Luftlöcher.

03.03.09

Spätestens seit Patricia Cornwell, Kathy Reichs und neuerdings Simon Beckett sind wir LeserInnen  ja sehr gebildet was die Forensik angeht. Details über Knochensägen, DNA, Skelettdeformationen, Fasern und was sonst noch alles- die Wissenschaft und ihre Methoden stehen im Mittelpunkt und ihnen wird jede Problemlösung zugetraut. Die zahlreichen einschlägigen Fernsehserien tun ein übriges, um komplizierte Sachverhalte auf  sensationell erfolgreiche Verbrecherjagden herunterzubrechen. Die Amerikanerin Dana Kollmann, zehn Jahre lang Kriminaltechnikerin bei der Spurensicherung CSI (Crime Scene Investigator), erzählt hingegen aus dem wirklichen Leben. In ihrem Buch mit dem bizarren Titel Lutsch nie an eines Toten Hand (Wiley-VCH Verlag) beschreibt sie Fälle, die man wirklich nicht bei Abendessen erörtern kann- diesmal hat der Klappentext recht.
Es gibt allerhand Leichenteile, frisch oder verwest, die nicht dort sind wo sie sein sollten, sondern zum Beispiel an den Schuhen kleben bleiben, oder sich nach einem Kopfschuss im Ventilator verfangen und auf die Spurensucherin herunterregnen. Ferner pflegen sich manche Männer auf seltsame Weise zu vergnügen: Kollman traf auf Unfalltote, welche sich wegen des sexuellen Kicks ein wenig stranguliert hatten, sich aber infolge des heftigen Sauerstoffentzugs nicht rechzeitig aus der Schlinge befreien konnten und sich der Nachwelt nicht nur entseelt, sondern auch in befremdlicher Kleidung mit merkwürdigen Accessoires präsentierten. Die Kriminaltechniker pflegen in all diesem Grauen einen sehr speziellen Humor, der ihnen bei der Bewältigung des Jobs hilft. Und seltsam: seit  diese gruseligen Themen populär geworden sind, steigen die Bewerber um entsprechende Studienplätze rasant. Übrigens, die titelgebende Anekdote hat etwas mit einem letalen Verkehrsunfall und dem Abnehmen von Fingerabdrücken bei niedrigen Temperaturen zu tun.

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by