September 2009 Archives

Turbulente Kur

Eine Kur dient der Erholung, nicht dem Erschrecken. Die resche Schulwartin Danjela  Djurkovic entdeckt bei ihrem einsamen Streifzug durchs nächtlich-stille Wellnesshotel eine Leiche auf dem Boden des Schwimmbades. Grund genug, ihren Freund aus seinem Strohwitwerdasein aufzustören und zur Kuranstalt zu beordern. Nun werkt Willibald Adrian Metzger am liebsten ohne Zeitdruck in seiner urbanen Werkstatt, wo er Antiquitäten renoviert. Der beleibte Metzger hält nicht viel von Landidylle, zumal die hügelig ist und der Weg zur Kuranstalt per Fahrrad erklommen werden muss. Zudem findet er beim Fahrradschieben auf dem moosigen Waldboden einen Finger mit einem Ring. Aber nicht den dazugehörigen Menschen. Alles sehr beunruhigend. Mordmotive  gäbe es zuhauf, nicht zuletzt erzeugen die mannigfaltigen erotischen Begegnungen der Kurschatten Eifersucht und Unfrieden. Die beiden depressiven Haie Anton und Ernst im repräsentativen Aquarium kommen auch noch zu allerlei Erkenntnissen, während sie die Untaten der nicht - aquatischen Welt kommentieren. Der Metzger geht fremd (Piper) von Thomas Raab ist ein bodenständiger Krimi, manchmal ein wenig pathetisch und gelegentlich nervig, weil das Radebrechen der Frau Djurkovic auf Dauer zu putzig wirkt. Aber (nicht nur) für Kuraufenthalte ist Raabs dritter Krimi-Streich durchaus passende Lektüre.

Pattison Eliot

  Düster, verwickelt und mit einem Schuss Esoterik, das ist die erfolgreiche Mischung, mit der Eliot Pattison seine Krimis um den chinesischen Ermittler Shan konstruiert. In Der Tibetische Verräter (Rütten & Loening) gerät Shan, der keine Papiere hat und deshalb offiziell gar nicht existiert in gröbere Probleme. Er versucht, seinen Sohn aus einer "Heilanstalt" zu befreien, in der chinesische Folterer Experimente am menschlichen Hirn durchführen - natürlich nur zum besten der gefangenen "Patienten". Shan wird Zeuge eines seltsamen Verkehrsunfalles bei dem  eine chinesische Ministerin und eine amerikanische Bergsteigerin erschossen wurden. Man macht offiziell aufständische tibetische Mönche dafür verantwortlich, - ein guter Anlass, die wenigen verbliebenen Heiligtümer und Klöster am Dach der Welt weiter zu devastieren.
Pattison beschreibt im Nachwort den historischen Hintergrund für seinen Roman, einen Hintergrund, der wenigen bekannt sein dürfte: „Im Juli 1942 schickte Franklin Roosevelt einen Mann mit bewegter Vergangenheit auf eine Jahre währende Reise nach Tibet, um Versorgungswege zu erkunden und den Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und dem Dalai Lama zu suchen. Dieser Mann hieß Ilja und war der Enkel von Leo Tolstoi." Das Angebot des Emissärs: den Tibetern zu helfen, falls je eine militärische Intervention drohen sollte. In einer höchst geheimen Operation wurden tibetische Untergrundkämpfer in einem Ausbildungslager in Colorado trainiert und zurück nach Tibet gebracht. Die letzten Mitglieder dieser verdeckten Operation legten erst 1971 ihre Waffen nieder.
Shan trifft auf einen amerikanischen Expeditionsleiter der, auf irgendeine Weise mit dieser Vergangenheit verbunden ist und sein Verbündeter wird. Dennoch scheint die Lage ganz aussichtslos. Zu brutal sind die Besatzer, zu lückenlos das Überwachungs- und Spitzelsystem. Allein in den zahllosen Bergverstecken scheint noch ein zeitweiliges Entkommen möglich. Obwohl Pattison beteuert, er  habe besonderes Augenmerk darauf gelegt, das politische und soziale Elend der Tibeter nicht zu überzeichnen, ist doch eindeutig, wo seine von Furor getragenen Sympathien liegen. Allein die Schilderung der ausgesuchten chinesischen Foltermethoden erfordert vom Leser starke Nerven und erzwingt eine Parteinahme für die als freundlich und spirituell dargestellte tibetische Bevölkerung. Die steht der Bergsteigerindustrie um den Everest ambivalent gegenüber. Einerseits gibt es Arbeit für die Sherpas, die ihre Familien ernähren müssen, andererseits sind diese Berge für die Tibeter heilig  und werden durch die zahllosen Lager, den zurückgelassenen Müll und die von den Chinesen massiv betriebene touristische Aufschließung profaniert. Noch einen Effekt haben die Expeditionsteams: man muss versuchen, vor den kritischen Ausländern den Schein zu wahren und auf die Dorfbewohner nicht allzu offensichtliche Repressalien auszuüben.
Immerhin findet Shan noch einen der ihm hilft, einen chinesischen Oberst. Es gibt also doch nicht nur Weiß und Schwarz...
Nach dem nicht wirklich überzeugenden historischen Roman Das Ritual, in dem es um die Besiedelung Amerikas geht, ist Eliot Pattison, im Hauptberuf Invenstmentbanker, wieder in den Himalaya zurückgekehrt. Seine Fangemeinde wird es freuen.

 

 

Der Guru und die Bombe

Die Literaturgala im Wiener Rathaus ist wieder einmal so richtig fad. Die Reden nehmen kein Ende und die Journalistin Mira Valensky schaut sich die ebenfalls gelangweilten Besucher an. Die Mischung aus Halbpromis, eitlen Schriftstellern und der üblichen Wien-Mafia, die bis zur Kenntlichkeit geschildert wird, gerät aber schnell in Fahrt, als ein Bombemalarm die Veranstaltung zum Erliegen bringt. Wer die Drohung warum geschickt hat, ist völlig unklar. Alles drängelt zu den Ausgängen, - wirklich alles? Mira beobachtet noch ein paar Besucher, die sich auffällig verhalten, bevor sie mit dem Tross des Bürgermeisters durch irgendwelche geheimen Gänge das Weite sucht. Mira erhält von ihrem Arbeitgeber, dem „Magazin" den Auftrag, alles haarklein zu schildern und Mira schafft es natürlich wieder einmal nicht, sich aufs bloße Recherchieren zu beschränken. Eine seltsame Figur interessiert sie besonders: Herr Weis, ein angesagter Guru, ständig in Weiß gekleidet und Verfasser eines Esoterik-Schinkens an dem Mira umständehalber mitgeschrieben hat. Er hat ein schickes Haus aus Glas wo er seine verzückten Jüngerinnen „behandelt", einen unauffälligen Adlatus und eine verfängliche Fotosammlung. Als ästhetischer Gegenpol zur Weis-Villa entpuppt sich eine Recyclinganlage für Asphalt, die auch noch ganz andere Materialien schreddern kann. Zusammen mit ihrer Freundin Vesna und deren Putzfrauenconnection macht sich Mira auf um erstens eine gute Story zu schreiben und zweitens, -viel wichtiger-, ihre Neugierde zu befriedigen. Manch Seitenhieb auf zeitgeistige (Fehl)entwicklungen und sensationsgeile Medien findet sich auch, aber alles wohltemperiert und nicht so heftig, dass es wirklich wehtut. Insofern sind die Krimis von Eva Rossmann sehr, sehr Wienerisch (Leben lassen, Folio Verlag).

Parallelgeschichten

  Beim Abriss eines ausgebrannten Hauses in Göteborg wird eine mumifizierte Leiche entdeckt. Gleichzeitig muss sich die Kriminalinspektorin Irene Huss mit zwei Mordfällen auseinandersetzen, die ihr besonders nahegehen. Die Teenager hatten offensichtlich im Internet Bekanntschaften gesucht und waren auf einen vermeintlich gleichaltrigen Jungen hereingefallen. Der Unbekannte spielte vor den sich einsam und unverstanden fühlenden Teenagern den sensiblen Freund um sie dann zu einem Treffen zu überreden. Er vergewaltigte und folterte sie und brachte sie anschließend um. Irene hat eine Bekannte, die sich als schüchterner, fünfzehnjähriger Lockvogel zur Verfügung stellt; die neue Vorgesetzte macht Irene beharrlich herunter und will mit dem Plan nichts zu tun haben. Das Unterfangen geht auch beinahe schief und der alte Mordfall in der Ruine ist nach wie vor ungelöst. Die ehemalige Zahnärztin Helene Tursten erzählt in Das Brandhaus (btb) auf zwei Zeitebenen. Der Eingemauerte weist in die Vergangenheit Schwedens zurück, als die Kollaboration mit den Nazis von großen Teilen der Bevölkerung jedenfalls nicht missbilligt wurde. Das alles wird in Streiflichtern dargestellt; die Ermittler folgen einer Fährte, die mit Spionage und Verrätern zu tun hat aber auch eine private Tragödie enthüllt. Recht fesselnde Parallelgeschichten, die vom Leser eine gewisse Wendigkeit einfordern.

Kitzbühel letal

  Angenehme Überraschung: Schäfers Qualen (Haymon) von Georg Haderer ist ein ausgereiftes Debut. Der Autor, offenbar ein berufliches Multitalent, stammt aus Kitzbühel und dort spielt auch sein erster Krimi. Im Nobelschiort kommen drei Männer um. Einer ist anscheinend freiwillig vom Kirchturm gesprungen, ein anderer wurde getötet und an ein Gipfelkreuz gefesselt, ein dritter in eine Betongrube geworfen. Allen  gemeinsam ist, dass sie sich einst  in der örtlichen Schischule als Lehrer verdingt hatten und sich daher gekannt haben müssen. Nun wird ausgerechnet ein Großkopferter aus Wien nach Kitzbühel geschickt um die Fälle aufzuklären. Major Schäfer, der, wie der Autor, in Wien arbeitet, aber aus Kitzbühel stammt, kehrt nun an den Ort seiner Jugend zurück was ihn gehörig mit Ambivalenz erfüllt und das nicht nur, weil er irgendwann seine Eltern besuchen wird müssen. Haderer überzeichnet nicht: weder plagen seinen Ermittler allzu exzentrische Macken, noch wird hier ein eingeborener Dialekt ausgereizt. Es gibt  keine krachledernen Exzesse, um Authentizität vorzutäuschen, auch keine extra skurrilen Landbewohner, - die existieren in Kitzbühel wahrscheinlich ohnehin nicht mehr. Ein unaufgeregter, nachdenklicher Krimi, ein bisschen viel Personal vielleicht, etwas übersichtlicher ginge noch- aber ansonsten tadellos.
 

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