September 2009 Archives
Pattison beschreibt im Nachwort den historischen Hintergrund für seinen Roman, einen Hintergrund, der wenigen bekannt sein dürfte: „Im Juli 1942 schickte Franklin Roosevelt einen Mann mit bewegter Vergangenheit auf eine Jahre währende Reise nach Tibet, um Versorgungswege zu erkunden und den Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und dem Dalai Lama zu suchen. Dieser Mann hieß Ilja und war der Enkel von Leo Tolstoi." Das Angebot des Emissärs: den Tibetern zu helfen, falls je eine militärische Intervention drohen sollte. In einer höchst geheimen Operation wurden tibetische Untergrundkämpfer in einem Ausbildungslager in Colorado trainiert und zurück nach Tibet gebracht. Die letzten Mitglieder dieser verdeckten Operation legten erst 1971 ihre Waffen nieder.
Shan trifft auf einen amerikanischen Expeditionsleiter der, auf irgendeine Weise mit dieser Vergangenheit verbunden ist und sein Verbündeter wird. Dennoch scheint die Lage ganz aussichtslos. Zu brutal sind die Besatzer, zu lückenlos das Überwachungs- und Spitzelsystem. Allein in den zahllosen Bergverstecken scheint noch ein zeitweiliges Entkommen möglich. Obwohl Pattison beteuert, er habe besonderes Augenmerk darauf gelegt, das politische und soziale Elend der Tibeter nicht zu überzeichnen, ist doch eindeutig, wo seine von Furor getragenen Sympathien liegen. Allein die Schilderung der ausgesuchten chinesischen Foltermethoden erfordert vom Leser starke Nerven und erzwingt eine Parteinahme für die als freundlich und spirituell dargestellte tibetische Bevölkerung. Die steht der Bergsteigerindustrie um den Everest ambivalent gegenüber. Einerseits gibt es Arbeit für die Sherpas, die ihre Familien ernähren müssen, andererseits sind diese Berge für die Tibeter heilig und werden durch die zahllosen Lager, den zurückgelassenen Müll und die von den Chinesen massiv betriebene touristische Aufschließung profaniert. Noch einen Effekt haben die Expeditionsteams: man muss versuchen, vor den kritischen Ausländern den Schein zu wahren und auf die Dorfbewohner nicht allzu offensichtliche Repressalien auszuüben.
Immerhin findet Shan noch einen der ihm hilft, einen chinesischen Oberst. Es gibt also doch nicht nur Weiß und Schwarz...
Nach dem nicht wirklich überzeugenden historischen Roman Das Ritual, in dem es um die Besiedelung Amerikas geht, ist Eliot Pattison, im Hauptberuf Invenstmentbanker, wieder in den Himalaya zurückgekehrt. Seine Fangemeinde wird es freuen.
Die Literaturgala im Wiener Rathaus ist wieder einmal so richtig fad. Die Reden nehmen kein Ende und die Journalistin Mira Valensky schaut sich die ebenfalls gelangweilten Besucher an. Die Mischung aus Halbpromis, eitlen Schriftstellern und der üblichen Wien-Mafia, die bis zur Kenntlichkeit geschildert wird, gerät aber schnell in Fahrt, als ein Bombemalarm die Veranstaltung zum Erliegen bringt. Wer die Drohung warum geschickt hat, ist völlig unklar. Alles drängelt zu den Ausgängen, - wirklich alles? Mira beobachtet noch ein paar Besucher, die sich auffällig verhalten, bevor sie mit dem Tross des Bürgermeisters durch irgendwelche geheimen Gänge das Weite sucht. Mira erhält von ihrem Arbeitgeber, dem „Magazin" den Auftrag, alles haarklein zu schildern und Mira schafft es natürlich wieder einmal nicht, sich aufs bloße Recherchieren zu beschränken. Eine seltsame Figur interessiert sie besonders: Herr Weis, ein angesagter Guru, ständig in Weiß gekleidet und Verfasser eines Esoterik-Schinkens an dem Mira umständehalber mitgeschrieben hat. Er hat ein schickes Haus aus Glas wo er seine verzückten Jüngerinnen „behandelt", einen unauffälligen Adlatus und eine verfängliche Fotosammlung. Als ästhetischer Gegenpol zur Weis-Villa entpuppt sich eine Recyclinganlage für Asphalt, die auch noch ganz andere Materialien schreddern kann. Zusammen mit ihrer Freundin Vesna und deren Putzfrauenconnection macht sich Mira auf um erstens eine gute Story zu schreiben und zweitens, -viel wichtiger-, ihre Neugierde zu befriedigen. Manch Seitenhieb auf zeitgeistige (Fehl)entwicklungen und sensationsgeile Medien findet sich auch, aber alles wohltemperiert und nicht so heftig, dass es wirklich wehtut. Insofern sind die Krimis von Eva Rossmann sehr, sehr Wienerisch (Leben lassen, Folio Verlag).