Foltererund Mönche auf dem Dach der Welt

  Düster, verwickelt und mit einem Schuss Esoterik, das ist die erfolgreiche Mischung, mit der Eliot Pattison seine Krimis um den chinesischen Ermittler Shan konstruiert. In Der Tibetische Verräter (Rütten & Loening) gerät Shan, der keine Papiere hat und deshalb offiziell gar nicht existiert in gröbere Probleme. Er versucht, seinen Sohn aus einer "Heilanstalt" zu befreien, in der chinesische Folterer Experimente am menschlichen Hirn durchführen - natürlich nur zum besten der gefangenen "Patienten". Shan wird Zeuge eines seltsamen Verkehrsunfalles bei dem  eine chinesische Ministerin und eine amerikanische Bergsteigerin erschossen wurden. Man macht offiziell aufständische tibetische Mönche dafür verantwortlich, - ein guter Anlass, die wenigen verbliebenen Heiligtümer und Klöster am Dach der Welt weiter zu devastieren.
Pattison beschreibt im Nachwort den historischen Hintergrund für seinen Roman, einen Hintergrund, der wenigen bekannt sein dürfte: „Im Juli 1942 schickte Franklin Roosevelt einen Mann mit bewegter Vergangenheit auf eine Jahre währende Reise nach Tibet, um Versorgungswege zu erkunden und den Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und dem Dalai Lama zu suchen. Dieser Mann hieß Ilja und war der Enkel von Leo Tolstoi." Das Angebot des Emissärs: den Tibetern zu helfen, falls je eine militärische Intervention drohen sollte. In einer höchst geheimen Operation wurden tibetische Untergrundkämpfer in einem Ausbildungslager in Colorado trainiert und zurück nach Tibet gebracht. Die letzten Mitglieder dieser verdeckten Operation legten erst 1971 ihre Waffen nieder.
Shan trifft auf einen amerikanischen Expeditionsleiter der, auf irgendeine Weise mit dieser Vergangenheit verbunden ist und sein Verbündeter wird. Dennoch scheint die Lage ganz aussichtslos. Zu brutal sind die Besatzer, zu lückenlos das Überwachungs- und Spitzelsystem. Allein in den zahllosen Bergverstecken scheint noch ein zeitweiliges Entkommen möglich. Obwohl Pattison beteuert, er  habe besonderes Augenmerk darauf gelegt, das politische und soziale Elend der Tibeter nicht zu überzeichnen, ist doch eindeutig, wo seine von Furor getragenen Sympathien liegen. Allein die Schilderung der ausgesuchten chinesischen Foltermethoden erfordert vom Leser starke Nerven und erzwingt eine Parteinahme für die als freundlich und spirituell dargestellte tibetische Bevölkerung. Die steht der Bergsteigerindustrie um den Everest ambivalent gegenüber. Einerseits gibt es Arbeit für die Sherpas, die ihre Familien ernähren müssen, andererseits sind diese Berge für die Tibeter heilig  und werden durch die zahllosen Lager, den zurückgelassenen Müll und die von den Chinesen massiv betriebene touristische Aufschließung profaniert. Noch einen Effekt haben die Expeditionsteams: man muss versuchen, vor den kritischen Ausländern den Schein zu wahren und auf die Dorfbewohner nicht allzu offensichtliche Repressalien auszuüben.
Immerhin findet Shan noch einen der ihm hilft, einen chinesischen Oberst. Es gibt also doch nicht nur Weiß und Schwarz...
Nach dem nicht wirklich überzeugenden historischen Roman Das Ritual, in dem es um die Besiedelung Amerikas geht, ist Eliot Pattison, im Hauptberuf Invenstmentbanker, wieder in den Himalaya zurückgekehrt. Seine Fangemeinde wird es freuen.

 

 


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