November 2009 Archives

Böser Streit um alte Knochen

  Sind Vögel Dinosaurier oder sind sie eine ganz andere, sich parallel entwickelt habende  Gattung? Was den Normalverbraucher eher nicht vom Stockerl reißt, lässt Experten zur Weißglut auflodern. In Sissel-Jo Gazans Krimi Dinosaurierfedern (Hoffman und Campe)  bekämpfen zwei Schulen einander mit allen möglichen Publikationen und Untergriffen, und zwischen den Fronten steht die Biologiestudentin Anna, die eine Arbeit über diese divergierenden Theorien schreiben soll. Ihr mehr als unangenehmer Professor wird  tot aufgefunden. Er ist einem sehr seltsamen und unappetitlichen Anschlag zum Opfer gefallen. Jemand hat ihn mit den Zwischenstadien eines Schweinebandwurms infiziert, sodass der  Wissenschaftler zum Wirt geworden ist und von den Parasiten aufgefressen wurde. Anna trauert um den bösartigen Vorgesetzten nicht besonders, ist aber sauer, weil sie endlich ihr Studium abschließen und einen Prüfungstermin haben möchte und es sieht nun ganz so aus, als ob sie sich neue Prüfer suchen müsste. Der Autorin Sissel-Jo Gazan, die selbst Biologie  studiert hat, geht ihr Fachwissen manchmal durch. Wer  den zähen Debatten rechthaberischer alter Männer folgen mag und sich an wissenschaftlichen Diskussionen, Anatomiedetails sowie Exkursen über Parasitologie erfreuen kann, ist hier gut aufgehoben. Es herrscht kein Mangel an mad scientists, bizarrem Verhalten und recht bissiger Beschreibung inneruniversitärer Grabenkämpfe: In Zeiten der allgemeinen Budgetknappheit und der Ökonomisierung der Universitäten wird mit harten Bandagen gekämpft. Die Frage ist nur, ob die letalen Vorfälle wirklich mit den monetären Verteilungskämpfen zu tun haben. Für gebildete LeserInnen mit sehr langem Atem.

 

Zeuge auf der Flucht

  Die Polizistin Rosa soll den jungen Camorraboss Cociss aus Neapel, der sich als Zeuge auf die Seite der Justiz geschlagen hat, bewachen. Denn eines ist klar. Sobald herauskommt dass er gesungen hat, ist sein Leben nichts mehr wert. Cociss ist in den verwahrlosten Hochhäusern, wie wir sie aus der Saviano-Verfilmung Gomorrha kennen und wo sich garantiert nie ein Tourist hinverirrt, aufgewachsen. Dort sind bei einem Racheakt der Mafia auch zwei zufällig auf der Straße stehende Mädchen erschossen worden. Die Frage ist, war Cociss der Mörder? Rosa versucht, den kaltschnäuzigen Verbrecher von einem Versteck ins andere zu begleiten und verstrickt sich dabei in Emotionen, die ihrem Job nicht förderlich sind. Cociss ist halb verrückt, rauschgiftsüchtig und unberechenbar. Dennoch gelingt es ihm, Rosa davon zu überzeugen, dass  auch die Polizei von der Mafia unterwandert ist, und Rosa weiß bald nicht mehr, wem sie trauen soll. Sind die Kollegen wirklich dazu da, den Jungen zu schützen oder wollen sie einen gefährlichen Zeugen zum Stillschweigen bringen?  Aus einer Straßenfalle, bei der zwei Verkehrspolizisten scheinbar ganz zufällig das Auto mit Rosa und Cociss kontrollieren wollen, entkommen sie knapp. Rosa entdeckt das Geheimnis des Jungen: Er ist Analphabet. Sie versucht, ihm bei der Jagd von einem Versteck ins andere das Lesen beizubringen. Giampaolo Simi ist kein Freund von übertriebener Gefühlsduselei. Der Junge Camorraboss ist ein Kotzbrocken, Rosa naiv, der Rest der Truppe korrupt, die psychologischen Abgründe unauslotbar und das alles kann nicht zu einem konventionellen Ende führen. Camorrista (C.Bertelsmann) hat Biss  und wird  verfilmt. Auch Rosa wird im nächsten Krimi wieder dabei sein.

Mexiko , Uppsala und zurück

Aus der Armut ihres mexikanischen Dorfes entfliehen: Ein Traum für die Kaffeebauern, der sich plötzlich zu erfüllen scheint. Ein Job als Drogenkurier wird ihnen angeboten. Sie fliegen in Europa auf. Ein Bruder stirbt, der andere landet in einem schwedischen Gefängnis. Der älteste der Brüder, Manuel, reist nach Schweden, um den überlebenden Bruder zu besuchen. Manuel nimmt Rache an den Drogenhändlern. Die Polizei kann lange keinerlei Zusammenhänge herstellen zwischen dem unauffälligen Mexikaner, der in aller Ruhe an einem Flussufer zeltet, und einem gelungenen Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis. Kjell Erikssons Rot wie Schnee (dtv) ist ein flotter Krimi inklusive der Wiederbegegnung mit seiner Heldin Ann Lindell, die sich tapfer durch die Fährnisse ihres Polizistenjobs kämpft. Immigrantenschicksale, Integrationsprobleme, Arbeitslosigkeit und Drogenhandel werden thematisiert ohne zu überzeichnen. Lediglich das Ende ist ein wenig idyllisch geraten. Beinahe. Denn bald drohen neue Komplikationen!

Wieder mal davongekommen

Bestsellerproduzent Dan Brown surft mit Das verlorene Symbol (Lübbe) weiter auf der Verschwörungswelle. Diesmal sind es die Freimaurer, die  ganz wichtige Geheimnisse hüten. Sie gehören zu den Guten, aber in ihre illustren Reihen hat sich ein Verräter eingeschlichen. Das alles weiß der Harvard-Professor Langdon noch nicht, als er von einem alten Freund überraschend nach Washington DC eingeladen wird. Als er mit einem Privatjet dort ankommt, muss er feststellen, dass er einem Fake aufgesessen ist. Jemand anderer hat den Spezialisten für  abseitige Symbole nach Washington gelockt. Es geht um ein Symbol, das irgendwo in den Gemäuern der Stadt verborgen sein soll. Was Brown über die Bedeutung des Capitols und die freimaurerischen Gründerväter Amerikas ausgräbt ist interessant kompiliert, aber das macht noch keine plausible Handlung aus. Architektonische Interpretationen der Gebäude und die Erklärung ihrer Ausschmückungen beschreiben das philosophische Gedankengut der Aufklärung, das in Stein gehauen wurde und vom gewöhnlichen Besucher nicht wahrgenommen wird.  Soweit, so lehrreich. Langdon muss nach dem bösen Phantom suchen, das seinerseits  hinter Langdon und einer Wissenschaftlerin her ist. Warum der Untergang der Zivilisation bevorstehen soll, ist nicht ganz klar. Aber was solls. Die Guten und die Schurken jagen einander in Ritualräumen, geheimen Kellern und soweiter. Es geht zu wie auf einer Rätselrally. Die wirkt ganz schön ermüdend und ist oft peinlich pathetisch, was sich in der Verfilmung wohl gut machen wird. Irgendwie werden wir von dem absolut Bösen gerettet. Business als usual, dem Großen Baumeister aller Welten sei Dank.

 

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