Wer nichts zu verbergen hat...

  Der Weg in die totale Überwachungsgesellschaft ist nicht mehr weit. Schutz oder Bedrohung? Das ist eine Frage der Perspektive. Damit  die Überwachung des Einzelnen vom Individuum als willkommener Schutz wahrgenommen wird, braucht es eine Bedrohung von aussen. Die nennt man Terrorismus. Jede mehr oder weniger geheim operierende Gesellschaft pflegt daher den Aussenfeind und verwendet ihn als Argument zur Erlangung von noch mehr Macht und finanziellen Ressourcen. Da ist bekanntlich die Versuchung groß, beim Schüren der Angst vor dem Terrorismus ein wenig nachzuhelfen. Diesen wohlbekannten Mechanismus thematisiert Markus Stromiedel in seinem Politthriller  Feuertaufe (Knaur). Die Grenzen zwischen Realität und Science-Fiction werden aufgelöst, die Zukunft hat schon begonnen: Deutschland hat eine Bundeskanzlerin, einen machgierigen Innenminister und subalterne Schergen. Die Bürger wissen nichts von der riesigen Überwachungszentrale  unter dem Berliner Hauptbahnhof. Dass die allermeisten Straßen der Hauptstadt von Videokameras erfasst sind, daran hat man sich längst gewöhnt. Die Wohlhabenden wohnen in bewachten Ghettos, der widerspenstige Pöbel zerstört da und dort ein paar Überwachsungsgeräte und haust in verfallenden Aussenbezirken, die man längst aufgegeben hat, weil es kein Geld für die Erhaltung der einstigen Infrastrukturen gibt. Widerstandsgruppen werden von V-Leuten unterwandert und das bringt Kommissar Paul Selig in die Bredouille. Denn die Freundin seines Sohnes verfolgt ihre eigenen Pläne... Selig ist in diesem Biotop schon fast ein Dinosaurier, denn er glaubt immer noch an einen Rechtsstaat. Als er einen Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus untersuchen soll, bringt er mit seiner Hartnäckigkeit Unruhe in die Chefetagen. Praktisch, dass es diese reiskorngroßen Chips gibt, die ganz leicht in einer kleinen Wunde unterzubringen sind. Der solcherart Gekennzeichnete erscheint dann auf der Straßenkarte Berlins als rotes Pünktchen und kann bequem vom Computer ausspioniert werden. Sehr spannender Reißer mit einem Schuss Zynismus, leider recht schlampig geschrieben - ein Lektor hätte da entschlossener drübergehen sollen-, aber das muss einen ja nicht prinzipiell vom Nachdenken abhalten.

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