Mai 2010 Archives

Tod im Tempel

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Im grandios barocken Catania ist ja noch alles in Ordnung, aber bald wird die Bildungsreise grimmig....
Wer eine Sizilienreise plant, könnte den Krimi von  Eva Gründel als Begleiter wählen. Das Lächeln der  Maddalena (Molden) beginnt in den malerischen Ruinen von Selinunte in denen eine Reisegruppe mit gehobenem Bildungsstandard den Sonnenuntergang genießen will. Bloß, für einen geht die Sonne für immer unter: Oberstudienrat Eck liegt mit oder von einem antiken Marmortrumm erschlagen zwischen den ehrwürdigen Steinen. Eck hat die  Rolle des obligatorisch rechthaberischen Ekels brillant ausgefüllt, daher ist die Betroffenheit der Mitreisenden endenwollend. Selbst Ecks Witwe ist bemerkenswert gefasst und sieht gleich um zehn Jahre jünger aus. Mord oder Unfall? Bis das geklärt ist, wird die Gruppe an der Weiterreise gehindert und die Reiseleiterin Elena Martell muss sich einiges einfallen lassen, um ihre Klientel bei Laune zu halten. Die Autorin, die in Sizilien, lebt lässt neben der Krimihandlung auch noch viel Raum für die spezifischen Eigenheiten ihrer Wahlheimat. Sei es den grandiosen Fischmarkt von Catania oder die touristischen Auswüchse in Taormina, die kulinarischen Highlights oder das entspannte Verhältnis der Einheimischen zur mitteleuropäischen Hektik. Manchmal ist der Text ein wenig didaktisch; die leichte Boshaftigkeit mit der Elena die Marotten ihrer anstrengenden Kunden betrachtet, wäre noch auf jeden Fall noch ausbaubar.
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Kindberg und die Satanisten

Eine schaurige Moritat aus vergangenen Jahrhunderten ist der Aufhänger für Christoph Wagners Heimat-Krimi Muj und der Herzerlfresser von Kindberg (Haymon). Ein alpiner Serial-Killer  brachte 1786 eine Reihe von jungen Mädchen um, riss ihnen das Herz heraus, um es dann zu verzehren, beziehungsweise als Trophäe aufzuheben. Bemerkenswerterweise wurde der Mann damals nicht zum Tode verurteilt, sondern auf Veranlassung des aufgeklärten Joseph II in die Kasematten am Grazer Schlossberg verbracht wo er allerdings bald starb. Seitdem gibt es im steirischen Kindberg laut Christoph Wagner einen Herzerlfresserweg und eine Herzelfresserhöhle. Diese touristischen Appetizer erhalten eine grimmige Aktualität, denn der Taxifahrer des Ortes macht auf einer taufrischen Morgenwiese eine grässliche Entdeckung. Inmitten dieser riesigen weißen Plastikballen, in denen Gras vor sich hin gären sollte und die aussehen wie riesige Insekteneier, liegt auch ein Kuckucksei: eine Leiche in besagtes weißes Plastik eingewickelt. Ihr fehlt das Herz. Das ist eine Nummer zu groß für den bodenständigen Bezirksinspektor Muj, ein seiner Selbstbeschreibung nach "kleiner jenischer Rotzbub aus einer südburgenländischen Scherenschleiferfamilie". Die Großkopferten in Graz mischen sich denn auch gleich ein und beweisen Inkompetenz auf allen Linien. Wieder einmal wird die Provinz zum Pfuhl des Bösen, denn in Kindberg gibt es ein paar verwirrte Jugendliche, die auf dem Satanisten-Trip sind, - logisch zählen die zu den bevorzugten Verdächtigen. Entweder Teufelsanbeter oder Skinhead, dazwischen gibt's nichts, wenn man in der örtlichen Hierarchie der Unterbelichteten was gelten will. Wagners Posse ist launig, menschlich und hat eine überraschende Auflösung, ein Krimi für die Sommerfrische!

Zwei gegen den Rest der Welt

  Ein Bub in einer gottverlassenen Gegend von North Carolina klappert seit vielen Monaten geduldig Viertel um Viertel seiner Stadt ab, um eine Spur seiner vor einem Jahr verschwundenen Zwillingsschwester zu finden. Johnnys Vater hat die Familie verlassen, weil er mit den Schuldgefühlen nicht umgehen konnte, die seelisch gebrochene Mutter wird von einem sadistischen Liebhaber gequält und unter Drogen gesetzt. Johnny ist vollkommen auf sich allein gestellt; er beobachtet die amtsbekannten Pädophilen statt in die Schule zu gehen, denn er glaubt fest daran, dass seine Schwester noch lebt und irgendwo gefangengehalten wird. Sein einziger Kumpel Jack ist der Sohn eines Polizisten, der sich geschmeidig in illegalen Grauzonen bewegt und ein schreckliches Geheimnis hütet. John Harts grausam überzeichnete Erwachsenenwelt hat wenige Lichtpunkte. Einer davon ist Detective Hunt. Er weiß  recht viel vom Untergrundleben Johnnys, der will sich aber nicht helfen lassen, weil er jegliches Vertrauen in andere Menschen verloren hat. Johnny und Jack, das könnte eine Lausbubengeschichte sein, aber statt Äpfelstehlen geht es hier um Tote, um verrückt gewordene Vietnamveteranen, Serienmörder, gewalttätige Väter, um die Geschichte North Carolinas mit Sklaverei und Lynchjustiz. Fast zuviel Spannung für ein einziges Buch. Vor wenigen Tagen hat John Hart für Das letzte Kind (C.Bertelsmann) den Edgar Award erhalten.
 

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