Der Mädchenfänger von Jilliane Hoffman (Wunderlich) ist
nicht nur ein Krimi mit dem üblichen Serienmörder, sondern auch ein
pädagogisches Unterfangen. Es wird nämlich demonstriert, was hirnamputierten
Teenagern passieren kann, wenn sie den Freundschaftsangeboten Fremder im Netz
vertrauen. Der 17jährige gutaussehende Sportdepp, den die dreizehnjährige Lainey
virtuell anhimmelt, ist in Wirklichkeit einer der vielen Perversen auf der
Suche nach minderjährigen Mädchen. Mit der gestohlenen Identität des Jungen
überredet er Girlies zu einem Date, worauf die auf Nimmerwiedersehen
verschwinden. Das geht ganz leicht, denn so gut wie alle Teenager fühlen sich in diesem
schrecklichen Alter missverstanden, einsam, unsicher und hassen ihre Eltern. Lainey
hat auch noch einen konkreten Grund dazu und das macht sie besonders anfällig
für fremde Zuwendung. Ihre furchtbare Mutter, ignorant, dauergrantig und
unfähig, kapiert nicht, dass ihr werter neuer Gatte und Stiefvater von Lainey,
ein Grapscher ist und sowohl auf die ältere Schwester als auch auf Lainey Jagd
macht. Wer wünschte sich da nicht einen Märchenprinzen, der einen von all dem
erlöst. Der Märchenprinz jedoch entpuppt sich als Monster.... Vielleicht hat
ein ausgewachsener Thriller mit entsprechendem Grausamkeitsfaktor mehr
Möglichkeiten, auf die sehr realen Gefahren im Netz hinzuweisen. Die Hoffnung
stirbt zuletzt.
September 2010 Archives
Man darf auch mal lachen beim Anblick dreier Leichen, die
offensichtlich sehr glücklich gestorben sind. Denn Pablo Tussets Krimi
Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen (Frankfurter Verlagsanstalt) ist
eine Satire auf alles was Nationalisten, Royalisten, Separatisten,Terroristen und anderen
-isten heilig ist. Die Kalamitäten unter Spaniens Politikern werden durch eine
neuronale Maschine, die Gehirne von Chauvinisten dazu zwingt, nur mehr in der
Sprache der jeweiligen bekämpften Minderheit zu sprechen, ausgelöst. Die
Präsidenten der jeweiligen „autonomen Regionen" brabbeln plötzlich in der
jeweiligen Feindessprache, was schrecklich peinlich ist und die ordinäre Königin
erzürnt, der ihre dauernd streitenden Untertanen gehörig auf die Nerven gehen.
Der fette Corrales von der Guardia Civil und das kleine japanische Männlein
Sakamura, ein Inspektor von der Interpol, bilden ein absurdes Ermittlerpaar.
Beide erfüllen jeweils Klischees, wobei besonders Sakamura mit seinen
Zen-Übungen, irrwitzigen Kampftechniken und sonstigen asiatischen Geheimnissen
einen immer wieder witzigen Clash of Cultures produziert. Basken, Katalonier,
Aragonesen und weitere verfeindete Stämme, spielen mit, weiters eine
schwachsinnige Befreiungsbewegung, Schwarzgeld in Andorra und eine
porschefahrende Agentin, der man nicht nur einen Scheck, sondern auch ihren
Einkauf bei Victoria's Secret klaut. Grenzdebilde, nasenpopelnde Politiker und
ein Radiomoderator, der dieselben gekonnt beschimpft runden das Sittenbild ab.
Sehr lustig und ungezogen.
Christine hat ihr deutsches Heimatdorf, aus dessen Enge sie
früh geflohen ist, nicht vermisst. Im Gegenteil, sie hat lange gebraucht, um
über die Erlebnisse in ihrer Jugend hinwegzukommen. Nun kehrt sie zum Begräbnis
ihrer ermordeten Nichte zurück und bringt das herausgeputzte Dorf in Aufruhr.
Denn sie spricht endlich aus, was immer vertuscht wurde. Nämlich, dass sich die
wegen ihres Reichtums angesehenen Männer des Dorfes an Kindern und jungen
Mädchen vergriffen haben. Sofort kommt der fatale Mechanismus zum Tragen, der
darin besteht, das Opfer schuldig zu sprechen statt die Täter. Die
dahergelaufene Nestbeschmutzerin muss schnell zum Schweigen gebracht werden.
Schließlich will man sich das tourismusträchtige Weinfest nicht verderben
lassen. Doch Christine ist kein verängstigtes Mädchen mehr, sie ist erwachsen
und voller Wut. Mila Wolf schildert in Schandfleck (rororo) mit beißender
Verachtung die steinzeitlichen Reste eines sexistischen Patricharchats. Das
ekelhafte Vokabular der selbstgewissen Bonzen ist schauderhaft realistisch und
realistisch ist auch der Plot, der auf einer wahren Begebenheit beruht.