Dezember 2010 Archives

Der dünne Firnis der Zivilisation

Pünktlich zur Vogel-Schweine-Grippe-Saison beglückt uns Klaus-Peter Wolf mit einem  Seuchen-Szenario, das einerseits erwartbaren Mustern folgt, andererseits doch etliche innovative Einfälle aufweist.  Inspiriert wurde der Autor von selbst Erlebtem: Während einer Zugreise an Schweinegrippe zu erkranken, kann einen schon ins Grübeln bringen und Wolf  stellte da fest, dass er bloß noch nach Hause wollte, - ganz egal was sich die Seuchenbekämpfer für Fälle wie diesen ausgedacht haben mochten.

Wolfs Geschichte über das Zerbröseln des zivilisatorischen Firnisses beginnt auf einem Schiff mit Urlaubern, das auf Borkum landen will. Das wird verhindert durch wütende Inselbewohner, die die Passagiere nicht aussteigen lassen, denn die Vogelgrippe ist ausgebrochen und man vermutet an Bord des Schiffes Erkrankte. Also treibt das Schiff mit seiner immer klaustrophober werdenden, panikbesessenen Fracht auf dem Meer und sucht einen alternativen Zielhafen. Wer vorher schon  kein netter Mensch war, wird es jetzt erst recht nicht. Und ein hoffnungslos zerstrittenes Ehepaar mit Kindern steht überhaupt knapp davor, sich gegenseitig umzubringen. Rabiate Rentner  versuchen Autos zu entern, Freizeitkapitäne meutern, setzen den echten Kapitän gefangen und  spielen den allmächtigen Boss. Wolf inszeniert diese hässlichen Bilder mit viel Verve und Zynismus - es sind ja immer die Bösen, die einem -auch beim Lesen- eher im Gedächtnis bleiben.

Spannend ist, wie hier eine geschlossene Gesellschaft der anderen geschlossen Gesellschaft auf der Insel gegenübersteht- und dann gibt es da noch ein abgeschottetes Reich: eine Hühnerfarm, womöglich ein Ursprung des Übels? Und im restlichen Deutschland wird die Quarantäne mithilfe der Staatsmacht aufrechterhalten, was bewirkt , dass sich Wutbüger zum Widerstand zusammenrotten. Es ist also viel los im Thriller Todesbrut ! (script 5).

 

 

 

 

Weihnachtstips!

Wer braucht ein Gegengift zum rieselnden Schnee, Last Christmas etc. etc.? Bitte! Nicht nur, dass einem die immer länger werdende Dunkelheit aufs Gemüt und die Kälte auf die Knochen schlagen, es muss auch noch pausenlos gedudelt, belichtert und bekitscht werden. Weihnachten ist eine Krisenzeit, das wird jede Notaufnahme bestätigen. Also: zwecks Abstand zum grausig wiederkehrenden Familienpsychodrama einige der besten Krimis des vergangenen Jahres - die werden auch noch länger halten als der Schnee dieses Winters.

Was zum Lachen inmitten des Gemetzels: Josh Bazell, Schneller als der Tod - ein Heidenspaß mit einem Neffen von Dr.House. Richard Price, Cash, auch sehr lesenswert.. Dann zweimal Smith. Einmal der aus Südafrika, der Kapstadt zum Fürchten schildert, nämlich Roger Smith,  Blutiges Erwachen, dann Martin Cruz Smith, die Goldene Meile, der ein nicht minder schauerliches Post-Glasnost-Russland ausleuchtet. Wers hochliterarisch und  expressiv mag: Zoran Drvenkar mit Du - ein singuläres Leseerlebnis!

Natürlich ist Don Winslows Tage der Toten als Muss: ein umfangreiches episches Werk über die Drogenkriege in Mexiko, die Kräfte dahinter und die zivilen Opfer. (Winslows Frankie Machine ist auch noch erwähnenswert, der Rest eher nicht).

Als Ergänzung dazu der neue Frederick Forsyths Cobra, sozusagen das an Details überbordende Logistik-Sachbuch zum Drogenschmuggel und dessen weltweite wirtschaftliche Bedeutung. Wer die beiden Bücher kennt , wundert sich nicht mehr über die Realstories der Nachrichtenagenturen.

Persönlicher Liebling aus Österreich: Susanne Ayoubs Mandragora weil es einen so eigenen Ton hat, die Atmosphäre  der Zwischenkriegszeit so intensiv bis in die Sprache hinein trifft und keine triviale Auflösung bietet. Vielleicht gibt's ja verwandte Seelen, die man mit solchen Büchern der anderen Art  beglücken kann.

 

Nagende Zweifel

Jetzt brauchens die Profiler auch schon in Hannover. Serienkiller oder nicht? Und wenn ja , warum? Das sind die Fragen, die die Kommissarin  Hanna Denkow umtreiben. Glücklicherweise wird ihr ein Profiler zugeteilt der  gut ausschaut und vertrauenerweckend wirkt. Allerding nur so lange, bis Hanna  entdeckt, dass der Mann  pleite ist, mit einem Mordopfer verwandt war und dieses beerbt. Da kommt Hanna schon ins Grübeln, zumal sie sich mit dem Kollegen auf einen erfreulichen Quickie eingelassen hat. Rainer Woydt liefert mit Der Profiler  (zuKlampen!) einen nicht nervenzerfetzenden, aber soliden Krimi. Man unterhält sich und kann danach ohne Alpträume schlafen
 

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