Februar 2011 Archives

Zeit für Grippe

Allzulange dauert dieser Winter unseres Missvergnügens schon. Überfüllte U-Bahnen mit hustenden, schleimenden Menschen und dann im Schutze der Mauervorsprünge aufgeplusterte, räudig aussehende Tauben - das kann einen schon auf Gedanken bringen. Zumal, wenn man den Debut-Roman  Die Luft, die du atmest (Wunderlich) von Carla Buckley unterkommt. Da geht es nämlich um den Ausbruch einer Vogelgrippe-Pandemie. Hierzulande wird ein solches Szenario ja gern als Panikmache der geldgeilen Pharmafirmen abgetan. Das mag stimmen oder auch nicht. Bei Buckley beginnt alles an einem See mit hunderten verendeten Wasservögeln. Erzählt wird das Schicksal einer ganz normalen amerikanischen Familie.  Vater, Veterinärmediziner, Mutter, zwei Töchter  für die die normale Welt untergeht als die allgemeine Quarantäne verhängt wird. Die Flughäfen werden geschlossen, die Stromversorgung bricht zusammen, die Supermärkte und Tankstellen sind geschlossen, der Nachbar wird zum Feind. Man igelt sich in der Festung Einfamilienhaus ein und die Zivilisation geht nicht mit einem Knall, sondern mit einem Wimmern vor die Hunde. Einstige  Grillkumpels verteidigen ihre Vorräte mit der Waffe, und es erhebt sich die Frage, ob man das Baby der kranken Nachbarin, draussen vor der  Tür erfrieren lassen, oder die eigene Familie gefährden soll. Der alltägliche Überlebenskampf wird detailliert  geschildert und - was irgendwie dem amerikanischen Survival- Kult geschuldet ist -, ein Teil der Romanfiguren kommt davon, indem sie die Flucht aus der Siedlung schafft und in eine einsame Jagdhütte zieht. Leider wird nicht weiter ausgeführt, wie sich wohlstandsverweichlichte  Menschen mit Jagen und Sammeln am Leben erhalten, doch bleibt noch genug von der humanoiden Spezies übrig um den Planeten weiter zu ruinieren. Ab morgen wird in der U-Bahn eine Schutzmaske getragen. Die hatten wir ja noch irgendwo....

 

 

 

Rätselhaftes Bild

 Der Aufseher eines verschlafenen französischen Provinzmuseums als Beobachter rätselhafter Vorgänge: Dominique Barberis konfrontiert uns in Eine Frage von Glück oder Zufall (dtv) mit Bildern, die wie in Sepia getaucht erscheinen. Die Schauplätze sind voll schwarzer Romantik. Eine verfallende Villa, mit einem überwucherten Park am Ufer der Loire, ein Friedhof, die Scheune, in der der Museumsaufseher seiner wahren Leidenschaft, dem Malen nachgeht. Und hinter der nächsten Flusskrümmung ein Atomkraftwerk (- seltsam, der Friedhof erscheint irgendwie unheimlicher als das Atomkraftwerk , was doch ziemlich absurd ist). Die Gleichförmigkeit der Tage wird jäh unterbrochen, als die schöne Marie Helene auftaucht, der die alte Villa an der Loire gehört. Als junges Mädchen war sie das Anbetungsobjekt aller jungen Männer; der Aufseher erinnert sich gut an die wilden Szenen seiner Jugendzeit. Und einen Tag nach ihrer Ankunft liegt diese Marie Helene erschossen in der Villa, in der sie als Kind mit ihrer geisteskranken Mutter gelebt hat und die sie offensichtlich verkaufen wollte... Barberis gelingt ein Text wie ein Gemälde in das man hineingeht und sich darin verliert: eine geheimisvolle Geschichte, die sich als Krimi tarnt.

 

 

 

Geheime Gechichte des Terrorismus

 

Verschwörungstheoretiker werden ihn lieben. Martin Maurer lässt in Terror (DuMont) eine harmlos urlaubende Familie ins Netz diverser finsterer Mächte geraten. Man macht Ferien in einem italienischen Bergdorf, der Familienvater, ein Werbefilmer, entdeckt einen misshandelten Asylanten, der offensichtlich große Angst vor der Polizei hat. Die Einmischung des Deutschen kommt ungelegen. Ein Netz von falschen Polizisten und Geheimdienstlern aller Art macht Jagd auf den allzu Neugierigen. Das wird in der Folge ein wenig unübersichtlich, denn Maurer hüpft zwischen den Zeiten und Orten hin und her wie ein aufgeregter Heuschreck. Er möchte zuviele ungeuerliche Vermutungen und Fakten unterbringen  und gerät dabei ausser Atem.

Es kommt im Dorf zu einem Massaker, wobei zunächst unklar ist, wer wen warum getötet hat. Nur soviel: die Wurzeln des Übels reichen bis in die Zeit des Kalten Krieges zurück,  die angeblich vertrauenswürdigen staatlichen Institutionen sind klammheimlich zu Monstern mutiert und ausnahmsweise spielt dabei die Mafia keine Hauptrolle. Der Autor bietet weiteren Stoff zu seinen  zugegeben nicht  gänzlich unglaubwürdigen Konstruktionen einer geheimen Geschichte des Terrorismus in Deutschland unter www.prenzlauerberger.wordpress.com

 

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by