China, jenseitig

Achtung, Überraschungsei! Man ist von dem schwedischen Autorenduo mit dem Pseudonym Lars Kepler Krimis gewohnt. In der üblichen soliden skandinavischen Art, was heißt, erfolgreich, seriell. Jetzt aber: Abtauchen ins Phantastische. Eine Soldatin zeigt nach einem Kriegseinsatz in Serbien bei dem zwei ihrer untergebenen Soldaten für die sie verantwortlich war, erschossen wurden, psychische Beeinträchtigungen. Obwohl ihr sogar offiziell mit einer Auszeichnung bescheinigt wurde, dass sie sich bei dem Einsatz richtig verhalten hat, lassen sie die Selbstvorwürfe nicht los. Sie erinnert sich, als sie, beinahe tödlich verwundet, während ihres Herzstillstandes in ein Zwischenreich zwischen Leben und Tod geraten ist. Und zwar nicht in der herkömmlichen Form eines leuchtenden Tunnels und irgendwelcher winkender Ahnen, sondern in einer chinesischen Hafenstadt. Dort , im immerwährender geisterhafter Dämmerung, sind tausende Menschen  gestrandet, die abgewogen werden, eine Metallplakette bekommen und entweder auf ein Schiff  verladen werden, oder an Land bleiben. Erstere sterben in der diesseitigen Welt tatsächlich, das Schicksal der anderen muss sich erst erfüllen. Playground  (Piper) ist eine Mischung aus Kafka, Alfred Kubins „Andere Seite" und die Tribute von Panem. Eine kühne Synthese, die auf weite Strecken funktioniert, weil die Atomsphäre dieser gewalttätigen, schmutzigen und brutalen Hafenstadt so unglaublich plastisch ausgemalt wird, dass auch jemand, der mit der Meterware Phantastik wenig anzufangen weiß, in diese suggestiven Bilder hineingezogen wird. Das ist ganz große Klasse. Am Ende wird das zwar etwas zu sehr in die Länge gezogen bis alle Todesarten durch sind, aber es ist ein interessanter Versuch für Leser denen Genreschranken egal sind.


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