Februar 2017 Archives

Lauter Klischees

Was war zuerst die Henne oder das Ei? Im Falle von Max Annas' neuem Krimi glaubt man bei einer Nacherzählung des Films „Die Hölle" von Stefan Ruzowitzky gelandet zu sein. Der Beginn geht so: ein illegal in Berlin lebender Schwarzer sieht von seinem Unterschlupf aus in die gegenüberliegende Wohnung in der eine Prostituierte arbeitet. Er sieht, wie ein Kunde die Frau umbringt. Der Mörder hat aber bemerkt, dass er beobachtet wurde und jetzt ist die Jagd auf Kodjo eröffnet. Bei Ruzowitzky ist es eine türkische Taxifahrerin die unfreiwillig Zeugin eines Sexualverbrechens wird. Sie  hat Probleme mit der Polizei, weil die ihr nicht recht glaubt. Kodjo kann wegen seines illegalen Aufenthaltes in Deutschland erst gar nicht zur Polizei gehen. Kommt einem verdammt bekannt vor. Annas, ansonsten als Autor sehr geschätzt, ist diesmal eine Enttäuschung. Illegal (Rowohlt) erzählt von einem schwarzen Wirtschaftsflüchtling aus Ghana in einer sehr einfachen schwarz-weißen Welt. Alle Bullen sind böse, die Deutschen Faschisten, alle Afrikaner nett, die Dealer, die dauernd davonrennen müssen, sowieso und Kodjo verkauft Sex an eine ältere Deutsche, die ihm dafür ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stellt. Das ist alles zu klischeehaft um irgendwie spannend zu sein. Auch die Weise, wie Kodjo an Informationen über den Mörder  kommt und seinerseits den Verdächtigen findet, ist ziemlich unglaubwürdig. Manchmal wäre es doch besser, nicht den angesagten und schnell abgelutschten Themen hinterherzuschreiben.

Schiller und Goethe jagen Gespenster

Eine Trouvaille, die schondurch ihre Aufmachung in dunkelblauem Leinen verrät, dass es um etwas  anderes geht, als um einen schnöden Krimi: Stefan Lehnberg lässt Friedrich Schiller eine schaurige Geschichte erzählen die er zusammen mit seinem Freund Goethe erlebt hat.

Der Tod des grobianischen Großherzogs von N., der in Weimar bei Goethes Dienstgeber zu Gast weilte, gibt Rätsel auf. Der Tod soll in Zusammenhang mit einem fluchbeladenen Smaragdring stehen. Als dann auch noch ein anderer Adeliger, anscheinend von wilden Hunden zerfleischt, im Labyrinth des Gartens entdeckt wird, scheint an der Fluch-Theorie doch etwas dran zu sein.

Das Reizvolle an dem Text ist, dass er sich am Schnittpunkt zwischen Romantik und Aufklärung bewegt. Die beiden Genies machen sich unter regem Alkoholkonsum daran, mithilfe der Naturwissenschaften Licht ins Dunkel  des Obskurantismus zu bringen.

Echter Spuk oder Chemie? Gespenster oder bloß gewiefte Geschäftemacher?

Schiller plus Goethe, quasi Holmes und Watson, geraten in angemessen gruselige Umgebungen wie sie die Nachtseite der Romantik liebt: Unterirdische Gänge, Verkleidungen, geheimnisvolle Bootsfahrten und tragische Lebensgeschichten.

Wieweit die Sprache derjenigen angenähert ist, die die beiden Geistesheroen im Alltag benützt haben könnten, mögen auf die Zeit spezialisierte Germanisten beurteilen. Es ist eine natürlich altertümelnd erscheinende, quasi mit Spitzen verzierte Sprache, die heutigen Menschen langatmig erscheinen mag, wenn man Twitter und SMS gewöhnt ist.

Aber Durch Nacht und Wind (Tropen) macht Spaß, auch weil Entschleunigung hier zum bestimmenden Element wird.

 

Böse Mami

Bekannte Frauen, die sich in der Öffentlichkeit zu ihrer Unabhängigkeit und Karriere bekannten, werden von Internet-Trollen verfolgt. Offenbar waren sie zu schwach, dem Terror standzuhalten und so ereignet sich eine Reihe von rätselhaften Selbstmorden. Diese sind alle nach dem Freitod berühmter Schriftstellerinnen inszeniert. Daran mangelt es ja nicht. Virginia Woolf, Sylvia Plath, Marina Zwetajewa und viele andere- sie verweigerten die ihnen zugeteilte Rolle und machten sich auf, ihrem eigenen Weg zu folgen, wobei sie zwangsweise in Konflikt mit dem Patriarchat gerieten.

Carol Jordan und ihre Elitetruppe von Ermittlern kommen sehr langsam einem raffinierten Frauenhasser auf die Spur. Und Jordan hat innerhalb ihres eigenen Polizeiapparates misogyne Neider, die die Superbullin gerne versagen sehen würden. Außerdem bietet sie als Alkoholikerin jede Menge Angriffspunkte. Val McDermid deren Krimis  das unzulängliche Etikett „feministisch" tragen können, beschreibt mit böser Akribie diese schwelenden Machtkämpfe im Job, die ja nicht der poetischen Phantasie entsprungen sind.

Ach ja, das Motiv des Mörders? Das kleine Männchen stand einst nicht im Mittelpunkt der Welt seiner Mami. Die hatte auch noch andere Interessen. Sowas  ist natürlich sehr verwerflich und den ganzen selbstbewussten Schlampen muss Mann zeigen wo der Hammer hängt. Wie dem Troglodyten das nicht ganz gelingt, ist ein recht spannender wenn auch ätzender Krimi. (Schwarzes Netz, Knaur)

 

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