August 2017 Archives

Dorf in Furcht

Das ist  fies. Ein putziger Umschlag, fast wie ein Adventkalender mit kleinen Häuschen und Bäumchen suggeriert eine nette Geschichte aus einem englischen Dorf. Und in der Tat ist es hier ganz beschaulich und reizend.  Die Autorin beschreibt so liebevoll all die kleinen Details eines langweiligen Spießerlebens, dass man sehr bald den Verdacht hegt, es müsse sich um feinen Sarkasmus handeln. Die Nachbarn kennen einander, etliche sind sehr gottesfürchtig, der Laien-Reverend- oder wie immer man das nennt-ist bemüht um seine Schäfchen. Dass die aufreizende Deloris sich etwas zu neugierig und schlampenhaft benimmt wird quasi durch die asketische Nachbarin wieder aufgehoben. Diese Anna, die wenig redet, viel in der Kirche hockt und schöne Kissen stickt, verschwindet eines Tages aus ihrem Häuschen. Nun ist es so, dass es im Dorf  eigentlich nicht ganz so idyllisch zugeht. Denn die Bewohner fürchten sich. Seit geraumer Zeit steigt ein Unbekannter in die Häuser ein und hinterlässt diskrete Spuren. Ein verrückter Gegenstand da, ein Schmutzfleck auf dem Flur hier, und im Haus des freundlichen Dorfpolizisten hat er fettige Fingerspuren am Badezimmerspiegel hinterlassen. Es wird nichts gestohlen, was das Ganze noch gruseliger macht. Und nun ist die harmlose Anna weg. Entführt? Gar ermordet? Harriet Cummings erster Roman Eine von uns (Deuticke) wurde, wie sie im Nachwort schreibt, von einem echten Kriminalfall im Jahr 1968 angeregt. Damals gab es einen Eindringling, den die Leute bald „Fox" nannten, weil er sich so unsichtbar bewegte, wenn er in die Häuser einstieg. Allerdings war dieser Fox auch gewalttätig, er konnte nur mit einem immensen Fahndungsaufwand gefasst werden. Er erhielt, wie Cummings berichtet, sechsmal lebenslängliche Haft (!) und wurde 2012 mit neuer Identität aus dem Gefängnis entlassen...Und wo blieb Anna? Wird Deloris ihren bescheuerten Ehemann verlassen?

Mangels an Beweisen

True Crime aus Frankreich: Pascale Robert-Diard ist langjährige Gerichtsreporterin bei Le Monde und als solche agiert sie auch in ihrem Buch Verrat (Zsolnay). Lapidar ist zu lesen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Geschildert wird ein Kotzbrocken namens Maurice, der  nichts anbrennen lässt. Drei Frauen, die sich mit Maurice eingelassen haben, haben einen Selbstmordversuch unternommen. Eine weitere junge Frau gilt als „vermisst", denn man hat ihre Leiche nie gefunden. Dass Maurice sie umgebracht hat ist sehr wahrscheinlich, denn er zog aus ihrem Tod materiellen Nutzen. In Gegenwart seiner Söhne hat Maurice einmal geäußert, dass man ihm nichts nachweisen könne, wenn man die Leiche nicht findet.

Als Maurice mangels an Beweisen freigesprochen wird,  schweigt man jahrzehntelang. Aber das Wissen, dass der Vater sehr wahrscheinlich ein Mörder ist, belastet einen der Söhne derart, dass er nach Jahrzehnten als der Prozess wieder aufgerollt wird zum „Verräter" wird. Die geschiedene Mutter und der zweite Bruder beteuern, dass sie sich an eine solche Aussage nicht erinnern können. Ein Alptraum für den „Verräter", der plötzlich allein und als Zerstörer dieser dysfunktionalen „Familie" dasteht. Das Protokoll eines lange ungesühnten Mordes ist nüchtern, von einer kalten, sezierenden Sachlichkeit mit der sich die Autorin distanziert.

Das eigentlich Dramatische ist der Vorgang, wie eine Familie durch ein finsteres Geheimnis implodiert, wie lange es dauern kann bis einer erkennt, dass er dadurch psychisch vernichtet wird und wie diese Implosion schließlich vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Dann, am Ende, lässt einen der Satz "Eine wahre Geschichte" wirklich schaudern.

 

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