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Zu dick aufgetragen

„Ich habe von Natur aus schön geschwungene Brauen. Zu Hormonen habe ich bisher nicht gegriffen und will es auch nicht. Ich gefalle mir nicht nur als Frau, sondern auch als Mann. Die Enthaarung dagegen muss eben immer wieder sein." So stellt sich der Ich- Erzähler/ die Ich-Erzählerin in Mehmet Murat Somers Krimi Die Propheten-Morde (Tropen) vor. Er/Sie ist Teilhaber eines Nachtclubs für Transvestiten in Istanbul, ein Kampfsportass und noch dazu ein Computerspezialist. Ganz schön dick aufgetragen, fast so wie die Schminke der Transen, wenn sie nachts auf Paradiesvogel machen. Ein Serienmörder scheint es darauf abgesehen zu haben, diese ganzen verworfenen Geschöpfe ins Jenseits zu befördern. Jedenfalls freut sich ein Eiferer im Chatroom über den Killer, den Schreiber spürt  der Erzähler aber bald auf. Der Kerl erweist sich als verkappter Homosexueller, der im Rollstuhl sitzt und auf masochistische Praktiken steht, wohl kaum der gesuchte Mörder, aber der typische Verdränger, der sich vor seinen eigenen Begehrlichkeiten fürchtet. Somers Krimi wäre in all seiner Oberflächlichkeit, die an einen Werbespot erinnert, nicht weiter bemerkenswert, lebte der Autor nicht in der Türkei, wo nicht nur religiöse Fanatiker wenig Verständnis für abweichende Lebensformen haben. So nimmt es nicht Wunder, dass der Autor für seinen harmlosen, überzeichneten Roman, der kaum irgendeinen Bezug zur Realität hat, zunächst keinen Verlag fand. Doch jetzt sind seine dauerübertriebenen, plappernden Transvestiten-Krimis ein Renner. Somer hat eine Marktlücke entdeckt und war so mutig, diese auch zu bedienen. Man gönnt es ihm ja.

 

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