Zuletzt in Michael Collins abgelegt

Das Diktat der Auflagenzahlen
Der neue Krimi des famosen Michael Collins behandelt wie es sich gehört, zuvorderst einen rätselhaften Mordfall: ein Mann verschwindet, der Sohn wird allgemein für den Mörder des Familientyrannen gehalten, zumal ein Finger  des Verschwundenen auf der Kellertreppe seines Hauses gefunden wird. Was Collins aber  sonst noch erzählt ist mindestens ebenso spannend. Der geografische Hintergrund der Geschichte ist eine amerikanische Kleinstadt, die schon bessere Tage gesehen hat. Die Industrie ist -lange vor der Globalisierung- abgesiedelt, Slums machen sich breit, traumatisierte Vietnamkrieg-Veteranen und zerstörte Familien sind Indikatoren des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs einer Region. Das örtliche Käseblatt mit dem Namen „Daily Truth" kämpft mit schwindenden Auflagenzahlen und gegen die aufgebrezelte Plappertante des Lokalfernsehens, die schneller, seichter und spektakulärer „informiert". Der Erzähler und Journalist Bill, der sich zu Höherem berufen fühlt, schwankt zwischen abseitigen philosophischen Ergüssen und hemmungslosem Boulevardjournalismus. Der Mordfall hat das Zeug zur überregionalen Sensation und eh Bill sich's versieht, ist er in der selbst angeheizten Gruselerzeugnungsmaschine gefangen. Die fatale Eigendynamik, die dieser Fall entwickelt, kann medial nicht mehr gestoppt werden und allmählich ist es egal, ob der Sohn seinen Vater wirklich umgebracht hat oder nicht, es reicht, dass das der Öffentlichkeit suggeriert wird und immer neue, sensationelle Details herbeigeschrieben werden. Ein großartiger Text mit doppeltem Boden.

Das Elend des Literaten
Sarkastisch zu Anfang, dann klirrend kalt und mitleidslos entwickelt sich der Krimi vom Michael Collins zu einem hoch spannenden Psychodrama mit überraschendem Ausgang.
Collins schildert erst genüsslich die geschützte kleine Welt einer zweitklassigen US-Universität: Lächerliche Rangkämpfe und Eifersüchteleien, absurde Dialoge von Selbstdarstellern, die einander in intellektuellen Beckmessereien zu übertrumpfen versuchen und schmale Lyrikbände veröffentlichen, um weiter an der Universität bleiben zu dürfen - all das  ist tragikomisch und in der Figur von Pendleton fokussiert. Pendleton, der verklemmte Professor, bemüht sich halbherzig, seinen desinteressierten Studierenden eine Ahnung von Literatur zu vermitteln. In einem Anfall nachtschwarzer Depression versucht er Selbstmord zu begehen, wird aber von der Langzeit-Studentin Abi gerettet. Nicht zu seinem Besten, denn er ist nun ein sprachlos dahinvegetierender Pflegefall. Abi beschließt, ihre Doktorarbeit über das recht marginale künstlerische Schaffen von Pendelton zu schreiben. Da entdeckt sie im Haus des Professors einen Karton mit einem gedruckten, jedoch nie veröffentlichten Roman, der brillant aber schaurig ist. Pendelton hat sich scheints kongenial in die Psyche eines Mörders hineinversetzt und dabei Details eines echten Kriminalfalls beschrieben, die eigentlich nur der Mörder kennen kann. Nichtsdestoweniger wird das Buch ein Bestseller und Abi immer unheimlicher zumute. Ziemlich unheimlich ist auch der manische Ermittler Ryan, der sich in alte ungelöste Fälle verbeißt und von massiven psychischen Problemen heimgesucht wird. Rundum gelungen, intelligent und viel aufregender als der langweilige Titel vermuten lässt.
 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by