Vergebliche Recherche

Wäre das ein Krimi, dann könnte der Autor mit so einem unglaubwürdigen Plot unmöglich punkten: in Vöklabruck im Jänner 2008 eine Frau gesichtet, die barfuß und nur mit Unterwäsche bekleidet durch die Stadt geht. Man findet ihre nackte Leiche im Fluss. Spuren von Medikamenten gegen Krankheiten können nachgewiesen werden, an denen die Frau jedoch nicht gelitten hat. Dennoch: man schließt den Fall mit ungebührlicher Hast. Die slowakische Pflegerin hat nach Ansicht der Polizei Selbstmord begangen. Ein einfache Lösung, selbst auf dem Totenschein steht ein falsches Datum.
Aber das ist keine fiktionale Geschichte, sondern ein realer Tod, dem der Journalist Martin Leidenfrost nachgeht. Und um es vorwegzunehmen: Leidenfrost ist kein keine scharfsinniger Amateurdetektiv, der  einen „Fall" löst. Der 29jährigen Toten, die einen anstrengenden Job angenommen hat, den in Österreich zu wenige machen wollen, gebührt mehr Aufmerksamkeit, mehr Achtung. Die ist ihr nicht zuteil geworden, weil sie eine Ausländerin war, meint Leidenfrost und damit liegt er wohl nicht falsch. Er beschäftigt sich mit dem Lebensweg der Denisa S. und besucht deren Heimatdorf in der Slowakei. Die Beschreibung der Landschaft und der Lebensweise der Menschen dort, die einem anderen Jahrhundert anzugehören scheint, entfaltet beträchtliche Sogwirkung, sodass man den tragischen Anlass der Recherchen fast vergessen könnte. Allerdings ist hier nicht wirklich von Nostalgie die Rede, sondern von der Armut unter den Roma, die einen Teil der Dorfbevölkerung stellen und von den Träumen der  aus einer „weißen" Familie stammenden Denisa S., aus dieser Armut auszubrechen und mit einem Job in Österreich so viel Geld zu verdienen, dass sie sich irgendwann ein kleines Haus bauen kann. Leidenfrost besuchte auch die Familie, bei der Denisa angestellt war und schildert die Isolation des alten Ehepaars. Sie wisse von nichts gibt die Frau des Pflegefalls Bescheid. Die Bekannten aus der Slowakei, die wie Denise  ebenfalls in Österreich als Pflegerinnen tätig sind, können oder wollen auch nicht weiterhelfen. Alle vagen Hinweise enden in Sackgassen.
Es ist eine entmutigende Mühsal, der sich der sich der Autor unterzieht, hartnäckig um vorurteilslosen Zugang bemüht, immer wieder neuen Spuren nachforschend. Die Tote im Fluss (Residenz Verlag) ist  das bewegende Dokument des Versuchs, einer Toten die Würde zurückzugeben.


KEINE TRACKBACKS

TRACKBACK URL: http://mt.instant.at/mt-tb.cgi/78

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by