Zuletzt in Jean-Francois Vilar abgelegt

Mysteriöse Schnitzeljagd
Dieses Buch braucht einen langen Atem. An sich ist alles da, was einen Krimi ausmachen könnte: ein gefolterter Entführter, der in die Freiheit zurückkehrt, Geheimdienstler, Schläger und Frauen mit zwielichtiger Biografie. Aber das ist nur ein Teil des Personals. Der Autor verwebt auf unnachahmliche Weise die Gegenwart des Ich-Erzählers zur Zeit des Mauerfalls mit der Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg, im Speziellen der linken Splittergruppen und der Surrealisten in Paris. Victor, ein eher unbedeutender Pressefotograf, war entführt und über tausend Tage festgehalten worden. Wo, warum und von wem bleibt im Dunkeln. Die Gefangenschaft teilte Victor mit dem Zufalls-Leidensgenossen Alex, dessen Vater Alfred Katz seinerzeit ein Handlanger der Trotzkisten war, die ihrerseits von den Stalinisten bespitzelt wurden. Katz führte ein Tagebuch, das Victor, der nur mühsam ins normale Leben zurückfindet, zu lesen bekommt. Auf den Spuren von Alfred Katz durch Paris, später durch Prag vagabundierend, wird Victor immer noch beschattet. Wer sich auf den suggestiven Text von Vilar einlassen kann, landet in einem historisch befrachteten Labyrinth mit hunderten Querverweisen, wobei die provozierenden Ausstellungen und Aktionen der Surrealisten sehr lebendig geschildert werden. Parallel dazu resümiert Vilar, wie vergeblich der Kampf der Handvoll Trotzkisten gegen den stalinistischen Terror war. Im Anhang gibt es einen dünnen Ariadnefaden in Gestalt kurzer Anmerkungen zu den historischen Persönlichkeiten von Louis Aragon bis Andrei Wyschinski, sozusagen verbürgte Fixpunkte in einer mysteriösen Schnitzeljagd.

 

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