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Eine Demo eskaliert

Der Finne Ilkka Remes ist ein Garant für vollmundige Thriller. Der allerneueste aus der Serie  berichtet von guten Absichten, die schrecklich schiefgehen. Eigentlich wollte eine Gruppe von Globalisierungsgegnern nur ein Treffen der Bilderberg-Gruppe stören und  mit einem Transparent auf die ungerechten Zustände in der Welt aufmerksam machen. Aber nicht alle aus dieser Gruppe der guten Menschen verfolgen hehre Ziele. Als die Demo aus dem  Ruder läuft und hochrangige Wirtschafts- und Bankenbosse als Geiseln genommen werden, findet gleichzeitig die Kaperung eines ganz besonderen Schiffes satt. Ein Frachter der hochgiftigen radioaktiven Müll geladen hat, wird im schwedischen Hoheitsgewässer geentert und gezwungen, Fahrt auf Helsinki zu nehmen. Die Bilderberger-Geiseln hat man auf dieses Schiff gebracht und sich so doppelt gegen ein Eingreifen des Militärs gewappnet. Erstens wird man das Leben der Wirtschaftsbosse nicht gefährden und  zweitens droht bei einer kriegerischen Auseinandersetzung das Freiwerden der radioaktiven Stoffe. Mit einigem Furor schildert der Autor, wie die diversen Geheimdienste von Amerikanern bis Russen ohne jegliche Rücksicht auf internationales Recht in einem vorgeblich unabhängigen Land agieren. Da werden Geiseln gekidnappt, Leute erschossen, Informationen ausgetauscht, ohne dass die Finnen auch nur einen Finger rühren können. Ein Schlag ins Herz (dtv) ist eine wüste Geschichte mit viel Action, (was nicht heißt, dass die Szenarien allzu unrealistisch wären), janusköpfigen Helden und einem kitschigen Schluss. Die Drehbücher sind wahrscheinlich schon in Arbeit.

Ilka Remes: Die Geiseln. dtv

Überwindung des Vaters
Die Konstruktion scheint simpel: ein Geiseldrama mit Überfall, Forderungen, und mehr oder weniger glücklicher Befreiung der Opfer. Aber der Thrillerautor Ilka Remes hat mehr auf Lager. Da ist vor allem die politische Dimension seines Romans, denn  bei den Verbrechern handelt es sich um serbische Nationalisten, die Rache üben für die Inhaftierung eines ihrer Anführer. Ein serbischer Oberst war vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt und nach Finnland ins Gefängnis geschickt worden. Seine beiden Söhne  haben einen raffinierten Plan ausgeheckt, um den Oberst freizupressen. Sie kidnappen die schwangere Frau eines Polizisten und erzwingen so die Flucht des Vaters. Dabei läuft einiges schief und der zweite Versuch ist noch spektakulärer. Am finnischen Unabhängigkeitstag, dem 6.Dezember, als alle zivilen und militärischen Führungsspitzen des Landes zur Feier im Präsidentenpalast versammelt sind, werden prominente Geiseln genommen, darunter auch der Präsident Finnlands. Was tun? Mann kann das Leben des Präsidenten, der zahlreichen Diplomaten und Politiker nicht gefährden, also muss man auf die Forderungen der Terroristen eingehen. Sie wollen das Land mit einem Flugzeug und unbekanntem Ziel verlassen. Was sie nicht wissen: unter ihren Gefangenen befindet sich auch Kommissarin Johanna Vahtera, die auf Deeskalationen solcher Situationen spezialisiert ist. Remes verkompliziert das Drama durch ausgefuchste  Schachzüge der Verfolger, der Verfolgten und ihrer unsichtbaren Hintermänner. Er kritisiert einerseits Finnlands rückgratlose, allzu russenfreundliche Außenpolitik, andererseits vermeidet er Schwarz-Weiß-Malerei. Auch die serbischen Terroristen haben ihre Traumata, ihre Erinnerungen an umgebrachte Familienmitglieder und ihre kruden Vorstellungen von Ehre und Rache, von denen sie geprägt sind. Letztlich geht es um die Überwindung des Vaters und dessen archaischer Welt, denn nur so kann die Spirale von Gewalt und Gegengewalt gestoppt werden. Für einen Thriller wird da ganz schön viel transportiert und spannend ist er außerdem.  

 

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