Erinnerung und Vergeltung



Die Sommerferien nahen. Im beschaulichen Furth am See passiert Beunruhigendes. Das Haus eines arroganten Politikers wird mit künstlerischen Graffiti verziert, was da und dort klammheimlichen Beifall findet. Seltsamer ist schon, dass ein alter Mann, behauptet, seine Blessuren durch einen Sturz von der Leiter erlitten zu haben. Eine Klosterschwester mit Wunden im Rachen hat Panik, macht aber auf harmlos. Ein kleines Mädchen verschwindet. Paulus Hochgatterers  Roman ist eine Geschichte über Rache, somit kann man das Buch, in dem man Kommissar Ludwig Kovacs und Psychiater Raffael Horn wieder begegnet, einen Krimi nennen. Aber das wäre ganz und gar unzureichend. Denn hier handelt es sich nicht um eine stringente Handlung, sondern um Monologe, Erinnerungen, subtile, auch humorvolle Beobachtungen, Gedanken von psychisch beschädigten Protagonisten, die sich erst nach und nach zu einem Bild fügen. Daher kann man den sprachlich sehr anspruchsvollen Text auch nicht nebenher lesen. Am Besten liest man ihn zwei Mal. Die Faszination  bleibt. „Rache ist nicht süß, aber keine Vergeltung zu üben macht auch niemanden froh."Wie recht er hat.

Spass mit Monster

Diese Art von Heimatkrimi lässt man sich gerne gefallen wenn Kurt Palm zugange ist. Er packt  in „Monster" (Deuticke) viel hinein. Kriegsverbrechen, Nazikumpanei, einen unsäglichen, bis zur Kenntlichkeit ausgeschilderten „Volksmusiker", Rache  und Begierde. Zwei Vampirinnen  sind auch unterwegs, allerdings schauts mit ihrer Jause recht schlecht aus. Eine Politikerin, die sich mit Ebola ansteckt ist, rein klinisch gesehen, nicht ganz exakt beschrieben, was aber trotzdem sehr lustig und sarkastisch ist. Im Rottensee treibt ein Monsterfisch sein Unwesen. Und er kommt gerade recht zum Tschinn-Bummm-Volksfest. Am Ende erhebt sich ein gewaltiger Deus ex Machina; einziger Kritikpunkt: das Buch ist viel zu früh zu Ende!

Die Krimibrstenliste des Monats Mai

Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury | Volker Albers, „Hamburger
Abendblatt" | Andreas Ammer, „Druckfrisch", BR | Gunter Blank,
„Rolling Stone" | Thekla Dannenberg, „Perlentaucher" | Hanspeter
Eggenberger, „Tages-Anzeiger" | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung" |
Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei" | Sonja Hartl, „Zeilenkino",
„Polar Noir" | Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung" |
Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"| Kolja Mensing,
„Deutschlandfunk Kultur" | Marcus Müntefering, „Spiegel Online", |
Ulrich Noller, „Deutsche Welle", WDR | Frank Rumpel, SWR |
Margarete von Schwarzkopf, Literaturkritikerin |Ingeborg Sperl,
„Der Standard" | Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau" | Jochen Vogt,
„NRZ", „WAZ"
1

James Sallis: Willnot
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger und
Kathrin Bielfeldt.
Liebeskind, 224 Seiten, 20 Euro
„Willnot", USA. Worauf verweisen die Signale des Lebens? Dorfarzt
Lamar Hale sinniert. In einer Grube liegen mehrere Leichen. Ein lange
Verschollener taucht auf, wird angeschossen. Ein begabter Junge verschwindet im Wald. Sallis gibt uns „Zeit, mal ernsthaft über Leben und Tod nachzudenken".
2

Melissa Scrivner Love: Lola
Aus dem Englischen von Sven Koch und
Andrea Stumpf.
Suhrkamp, 392 Seiten, 14,95 Euro
Los Angeles. Lola ist winzig, unscheinbar, im Backen eine Niete. Nur die Insider wissen, dass sie der Boss der aufstrebenden Latino-Gang
„Crenshaw Six" ist. Um Chef zu werden, hat sie ihren Lover umgebracht. Für Pflegekind Lucy und den Sieg riskiert Lola ihr Leben. Heiter und robust:tolles Debüt.
3

Heinrich Steinfest
Der schlaflose Cheng
Piper, 288 Seiten, 16 Euro
Wien, London, Island. Nach fast einer Dekade taucht Markus Cheng, einarmiger Privatdetektiv, Wiener Chinese, aus der Abwesenheit auf, um die Unschuld von Peter Polnitz, der deutschen Stimme des weltberühmten Schauspielers Wake, zu beweisen. Herrlich! Göttlich! Steinfest!
4

Joseph Incardona: Asphaltdschungel
Aus dem Französischen von Lydia Dimitrow.
Lenos Polar, 340 Seiten, 22 Euro
Autoroutes de France. August, Schweiß, Angst, Ferien. Pierre jagt den Serienmörder, dem seine kleine Lucie zum Opfer fiel. Ein weiteres Mädchen verschwindet.Pascal ist taub und unsichtbar: Einen Raststättenkoch nimmt niemand wahr. Blut, Gewalt und Wut - unerhört dicht und plastisch beschrieben.
5

Don Winslow: Jahre des Jägers
Aus dem Englischen von Conny Lösch.
Droemer, 992 Seiten, 26 Euro
Mexiko, Washington, D. C. Kartellboss Adán Barrera ist tot. Die verwöhnten Söhne drängeln, morden sich an die Macht. Opioide verwüsten Tausende Leben. DEA-Chef Art Keller will den Geldhahn zudrehen. Damit gerät er ins Visier von Präsident Dennisons Clique. Alles über den Drogenkrieg, Teil drei.
6

Christine Lehmann: Die zweite Welt
Ariadne im Argument-Verlag, 256 Seiten, 13 Euro
Stuttgart, 8. März. Tumbe Kerle drohen, die Demo am Frauentag in ein Blutbadzu verwandeln. Lisa Nerz und die superschlaue muslimische NachbarstochterTuana jagen die Attentäter in den Hassdünsten des Netzes und auf StuttgartsStraßen. Furioses Paradebeispiel eines feministischen Diskurskrimis.
7

Harry Bingham: Fiona: Wo die Toten leben
Aus dem Englischen von Kristof Kurz und
Andrea O'Brien. Rowohlt, 526 Seiten, 10 Euro
Wales. Im Totenhaus liegt eine weibliche Leiche, super gepflegt, nur ihre Beine sind nicht rasiert. Das weckt Fionas Spürsinn. Der führt sie in ein Höhlensystem, eine Folterscheune und ein Kloster. Sehr fiese Erfahrungen. Aber Fiona ist die taffste Frau im Krimikosmos. Beste Unterhaltung. Unwiderstehlich.
8

Jonathan Robijn
Kongo Blues
Aus dem Flämischen von Jan-Frederik Bandel.
Edition Nautilus, 176 Seiten, 16,90 Euro
Brüssel, Kongo, 1988. Morgan, schwarzer Jazzmusiker, Adoptivkind einerbelgischen Oberklassefamilie, rettet Simona am Neujahrstag vor dem Erfrieren.Mit unberührbarer Flatterhaftigkeit irritiert sie sein Leben, verschwindet wieder. Gelähmte Melancholie, Wunden kolonialer Herkunft. Starker Sound.
9

Sara Gran
Das Ende der Lügen
Aus dem Englischen von Eva Bonné.
Heyne, 352 Seiten, 16 Euro
New York, Oakland, Los Angeles. Ein Lincoln rammt Claire DeWitt. Warum will jemand sie töten? Die beste Detektivin der Welt rekapituliert auf der Suche nach dem größten Rätsel der Welt ihre Fälle, ihre Verstrickungen. Und findet eine verschollene Erzählung. Krimi als L'art pour l'art. Wie bei Poe.
10

Tess Sharpe: River of Violence
Aus dem Englischen von Beate Schäfer.
Bold, 524 Seiten, 14,90 Euro
Nordkalifornien. Abgerichtet wie ein Kampfhund ist Harley aufgewachsen, Tochtervon Gewaltherrscher und Drogenboss Duke McKenna, Mordzeugin mit acht Jahren. Der Herrscher ist siech, und Harley hetzt die, die nach der Macht geifern,aufeinander. Niemals mehr Opfer! Von jetzt an geht die Gewalt von Frauen aus.

Die Krimibestenliste
auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de
Die Krimibestenliste
am ersten Sonntag des
Monats

Davongekommen

Man nennt sie sensationsheischend Final Girls (dtv). Die Mädchen, die als einzige eines dieser vielen unerklärlichen und sinnlosen Massaker überlebt haben. Eine davon ist Quincy. Sie hatte Glück, die Panik verlieh ihr die ungeahnte Kraft, in einem finsteren Wald einfach davonzustürmen. Sie versucht, sich in einem einigermaßen normalen Leben einzurichten. Immer wieder plagen sie Schuldgefühle. Warum hat nur sie überlebt? Quincy kann sich in ihrer Ausnahmesituation auf einen Beschützer verlassen, es ist der Cop dem sie damals verletzt und außer sich in die Arme gelaufen ist. Dann taucht ein weiteres Final Girl bei Quincy auf und die Dinge ändern sich. Riley Sagers Plot ist psychologisch interessant- und er schafft auch einen packenden Überraschungseffekt. Sehr amerikanisch, für ein Debut ganz ordentlich, wenn einem mal nicht nach fordernder Literatur zu Mute ist.  

 

 

Der Präsident als Actionheld

Was für eine seltsame Symbiose, Bill Clinton und James Patterson, Vielschreiber  vom Dienst, basteln zusammen einen Thriller. Der Autor Clinton ist natürlich ein Verkaufsargument. Man ist neugierig und hofft ein wenig über das Innenleben im Zentrum der Macht zu erfahren. Doch ziemlich bald  hat man das Gefühl, dass Clinton sich erst einmal den Frust über seine unfaire Behandlung  beim Impeachmentverfahren  von der Seele schreiben wollte. Präsident Duncan  kämpft ebenfalls gegen ein Amtsenthebungsverfahren und da kommen Bösartigkeit, Hinterlist und Ränke der politischen Gegner aufs Tapet. Duncan soll mit einem Dschihadisten telefoniert haben.

Das kommt einem Hochverrat gleich. Doch Duncan, der hartgesottene Hero, bleibt standhaft. Denn Duncan versucht in Wirklichkeit, Schlimmes von den USA, ach was, der ganzen Welt abzuwenden. Ein unauffindbares Virus wurde in das globale Netz eingeschleust. Es droht nichts weniger als der Zusammenbruch der Zivilisation. Duncan macht sich heimlich aus dem Weißen Haus davon und übersteht anschließend mehrere Attentate, wobei er die Arbeit nicht allein seinen Leibwächtern überlässt, sondern selbst tatkräftig in Aktion tritt. Es ist nicht unfair, einen Teil des Inhalts zu verraten, denn die Handlung ist so vorhersehbar wie in einem x-beliebigen Action-Thriller und sprachlich farblos.

Gut, selbstlos,  klug und tapfer sei der Präsident bis zum Ende, wo es noch eine gehörige Portion Pathos gibt.

Interessant sind andere Aspekte. Clinton geht davon aus, dass sich die wesentlichen Mechanismen und Strukturen einer Demokratie noch funktionieren. Die gegenwärtige Erosion hat er sich wohl  nicht vorstellen wollen. Das wäre aber auch zu nahe an einer bösen Dystopie, da müsste sich der Ex-Präsident einen Science- Fiction- Autor anlachen.

 

 

Der Präsident als Actionheld

Was für eine seltsame Symbiose, Bill Clinton und James Patterson, Vielschreiber  vom Dienst, basteln zusammen einen Thriller. Der Autor Clinton ist natürlich ein Verkaufsargument. Man ist neugierig und hofft ein wenig über das Innenleben im Zentrum der Macht zu erfahren. Doch ziemlich bald  hat man das Gefühl, dass Clinton sich erst einmal den Frust über seine unfaire Behandlung  beim Impeachmentverfahren  von der Seele schreiben wollte. Präsident Duncan  kämpft ebenfalls gegen ein Amtsenthebungsverfahren und da kommen Bösartigkeit, Hinterlist und Ränke der politischen Gegner aufs Tapet. Duncan soll mit einem Dschihadisten telefoniert haben.

Das kommt einem Hochverrat gleich. Doch Duncan, der hartgesottene Hero, bleibt standhaft. Denn Duncan versucht in Wirklichkeit, Schlimmes von den USA, ach was, der ganzen Welt abzuwenden. Ein unauffindbares Virus wurde in das globale Netz eingeschleust. Es droht nichts weniger als der Zusammenbruch der Zivilisation. Duncan macht sich heimlich aus dem Weißen Haus davon und übersteht anschließend mehrere Attentate, wobei er die Arbeit nicht allein seinen Leibwächtern überlässt, sondern selbst tatkräftig in Aktion tritt. Es ist nicht unfair, einen Teil des Inhalts zu verraten, denn die Handlung ist so vorhersehbar wie in einem x-beliebigen Action-Thriller und sprachlich farblos.

Gut, selbstlos,  klug und tapfer sei der Präsident bis zum Ende, wo es noch eine gehörige Portion Pathos gibt.

Interessant sind andere Aspekte. Clinton geht davon aus, dass sich die wesentlichen Mechanismen und Strukturen einer Demokratie noch funktionieren. Die gegenwärtige Erosion hat er sich wohl  nicht vorstellen wollen. Das wäre aber auch zu nahe an einer bösen Dystopie, da müsste sich der Ex-Präsident einen Science- Fiction- Autor anlachen.

 

 

Cannabis in Canada

Nie war ein Titel treffender als dieser: Shoot Out von  Dietrich Kalteis hält was er verspricht. Im kanadischen Whistler, ja genau dort wo 2010 die Olympischen Spiele stattgefunden haben, geht es diesmal nicht um Sport, sondern um Drogen. Wobei - so weit auseinander soll das angeblich nicht immer liegen.

Der örtliche Cannabis-Anbauer Stevens lebt in friedlicher Koexistenz mit der lokalen Polizei. Der ist lieber, sie hat einen freundlichen Althippie unter Kontrolle als sich mit nachdrängenden Gangsterbossen auseinanderzusetzen. Doch genau das passiert und eine Menge Munition wird verschwendet. Das Lamento der Alten über die verzogenen Jungen ist diesmal nicht unberechtigt. Nick, der Sohn vom Oberdrogenboss ist ein Dummbatz und Angeber und braucht einen Aufpasser. Der kann aber nicht verhindern, dass Nick aus Versehen einen jungen Dealer umlegt. Die Leiche muss verschwinden und  es ist nicht die einzige. Stevens hat vor, das verminte Feld zu räumen und sich an einem sonnigen Ort in Pension zu begeben, aber vorher noch rettet er ein Mädchen aus den Klauen des grauenvollen Nick. Schlecht für die Pensionspläne...

 

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instant Design Wien
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