Juni 2011 Archives

Alles Verräter

Der Amerikaner Don Winslow erlebt derzeit im deutschen Sprachraum einen Höhenflug. Nach eher pubertären Krimis im Surfer-Milieu gelang ihm der Paukenschlag mit Tage der Toten - einem weit ausgreifenden Epos über die Drogenkriege in Mexico. Das hat die Kritiker zu recht schwer beeindruckt. Und jetzt wird noch schnell nachgesetzt mit einem nicht mehr ganz neuen Text. Bobby Z (suhrkamp) handelt von einem Gangster, der die Dummheit begeht, in einem kalifornischen Knast ein Mitglied der Hell's Angels zu erstechen. Das  wird er nicht lang überleben, sofern er nicht einen Deal mit den Drogenfahndern aushandelt. Die schlagen ihm vor, als Double eines gesuchten Großdealers in die Freiheit entlassen zu werden. Ein gutes Angebot-allerdings, wie lange wird sich  der falsche Bobby Z am Leben halten können? Ein Krimi voll Tempo und Witz, aber im Vergleich zum zweiten, dicken Wälzer der auch gerade auf den Markt gekommen ist, nur eine Fingerübung. Denn Satori  (Heyne) spielt in einer ganz anderen Liga. Hier wird der Held eines anderen Autors wieder zum Leben erweckt. Nikolai Hel, die Hauptfigur in Trevanians Shibumi (Heyne) befindet sich in diesem Thriller von Don Winslow in Peking. Die CIA hat ihn gefoltert und dann die Freiheit versprochen,  wenn er einen dreckigen Job erledigt. Nikolai Hel soll mit falscher Identität nach Peking eingeschleust werden um dort den sowjetischen Botschafter zu ermorden. Nun spielt das Ganze 1951, als Mao an der Macht ist, die Angst vor Denunziation umgeht und die europäischen Großmächte, um ihren Einfluss in Asien zu erhalten, zu allem bereit sind. Verräter an allen Ecken und Enden, Auftragskiller, Geheimdienstler und natürlich eine Femme fatale  bevölkern die actionreichen und atmosphärisch überzeugenden 608 Seiten.

Gemetzel im Wald

Überleben in der Wildnis können nur die ganz harten Typen, dies von klein auf gelernt haben und nicht von der schnöden Zivilisation verweichlicht wurden. Mit Wildnis sind natürlich nicht die kärglichen Restbestände in Europa gemeint, sondern die grenzenlosen Weiten Amerikas. Der für damalige Verhältnisse recht brutale Thriller Flussfahrt von James Dickey hat vor Jahrzehnten die Latte hoch gelegt. Gegenwärtig hat das Thema wieder Hochkonjunktur; das neueste  Beispiel: Selbstauslöser (Hoffmann und Campe) von Michael Lister. Remington (!) James , frisch getrennt und vom Job frustriert, versucht einen Neustart. Sein Vater ist gestorben, die hinfällige Mutter braucht seine Hilfe und so kehrt er nach Florida zurück. Allerdings nicht zu den sonnigen Stränden mit den schönen Bikinimädchen, sondern in die Wälder von Nordflorida. Remington will sich hinfort seiner bislang zurückgedrängten Leidenschaft widmen, der Fotografie. Also macht er sich voll Tatendrang auf um mit seiner neuen Kamera zu experimentieren und nachzusehen, ob seine aufgestellten Kamerafallen vielleicht ein Wildtier eingefangen haben.  Er begegnet erst einem unfreundlichen Fremden,  dann einem Florida-Schwarzbären und macht die Fotos seines Lebens. Glaubt er. Dann entdeckt er, dass eine seiner Kamerafallen kein Wild, sondern den Mord an einer Frau festgehalten haben. Als die Täter bemerken, dass sie beobachtet wurden, beginnt eine gnadenlose Jagd auf Remington und plötzlich geht es ums nackte Überleben. Lister erzählt im Präsens, abgehackt, assoziativ und in der halben Agonie des verletzten und zu Tode erschöpften Remington tauchen die Erinnerungen an die großen Ikonen der Fotografie auf. Die berühmten Bilder der klassischen Kriegsfotografen, der Weltraumfotos vom Hubble -Teleskop, Bilder die zum gemeinsamen Besitz der ganzen Menschheit geworden sind begleiten seine Flucht. Der Wald, die Wildnis, ist beides: Heil und Versteck  und feindliche Natur zugleich. Ein schmaler Text mit großer Wirkung. Nicht so grandios wie  William Gays Nächtliche Vorkommnisse, aber da kommt im Moment sowieso kein Zeitgenosse heran.

 

 

 

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