Dezember 2012 Archives

Der Kopf am Fenster

Ray ist klar, dass sein Bruder Thomas nach dem Tod des Vaters nicht allein im elterlichen Haus bleiben kann. Denn Thomas ist  schizophren und außerstande, den Alltag zu bewältigen. Dafür hat er eine besondere Gabe. Er surft durch die virtuellen Abbilder der großen Städte und merkt sich jedes Detail, jede Straße, jedes Geschäft. Sein Zimmer verlässt er äußerst ungern und stellt Rays Geduld auf ein harte Probe. Ray glaubt Thomas auch nicht, als der ihm von einem seltsamen Anblick berichtet, der ihm bei einem Streifzug durch Manhattan aufgefallen ist. Im einem Fenster entdeckte Thomas einen merkwürdig glatten Kopf der aussah, als wäre ihm gerade eine Plastiktüte übergezogen worden. LINWOOD BARCLAYS zeitgemäße Version von Hitchcocks „Fenster zum Hof" heißt FENSTER ZUM TOD(Knaur) und kommt recht langsam in Fahrt. Der Leser ahnt schon, worauf das alles hinauslaufen wird. Oder er glaubt es zumindest. Denn Barclay bringt da noch eine verwickelte  Parallelgeschichte zur Erklärung des Mordes ins Spiel.

Da es sich um eine Vertuschungsaffäre aus Politikerkreisen handelt, sind natürlich auch die finsteren Dienste im Einsatz. Dass Thomas davon überzeugt ist, seine Städterecherchen im Auftrag der CIA zu machen, verkompliziert das Desaster.

Als Idee ist das ganz nett, aber für 600 Seiten verlangt es einem doch etwas viel Geduld ab.

 

Gefährliche Gemütlichkeit

Im Getöse der Bestsellerlisten gerät so mancher Text unverdient  aus dem Focus. Daher sind Krimis wie der von URS SCHAUB eine erfreuliche Entdeckung, die man gern mit anderen LeserInnen teilen möchte. DER SALAMANDER (Limmat Verlag) erzählt von der Heimkehr des Ermittlers Simon Tanner, der nach einer Auszeit in sein Dorf in der Schweiz zurückehrt. Noch auf dem Bahnhof trifft er einen etwas seltsamen jungen Mann, der für die Kälte zu dünn angezogen ist; er behauptet Uhrmacher zu sein und wegen eines Drogendeliktes in einem spanischen Gefängnis gesessen zu haben. Tanner traut dem Unbekannten dennoch und lässt ihn sogar in seinem Haus schlafen. Doch der junge Man verschwindet, was er zurückgelassen hat, führt Tanner auf eine schwer entschlüsselbare Spur. Tanners Freund   Michel ist indessen hinter einem anderen Fall her. Um eine eifrige junge Kollegin zu triezen, setzt er sie auf einen seit 30 Jahren ungeklärten Mord an. Ein freundlicher Wirt, ein Pfarrer mit einer unklaren  Vergangenheit in Afrika, eine merkwürdige Sekte und viel gutes Essen,- das alles kommt  mit einer gefährlichen Gemütlichkeit daher. Da ist nichts aufgesetzt, alles rund und in sich selbst ruhend. Die ausgeprägten Charaktere sind glaubhaft, sympathisch und Land-Klischees sind auch weit und breit nicht in Sicht. Ein feiner Schweizer Krimi!

Paddlerin gesucht

Detektiv Kuhala ist der natürliche Gegner der Polizei weil er ihr immer zwei Schritte voraus ist. Der korrupte Polizist Antikainen, seit einer Weile ins Drogengeschäft eingestiegen, befindet sich zur falschen Zeit am falschen Ort. Dort bleibt er ein Weilchen liegen, bis ihn ein Hund findet. Dem Hund folgt Kuhala und ist gar nicht erfreut. Denn er sucht in  TOTE FINNEN TANZEN KEINEN TANGO (Piper) keineswegs Antikainen, sondern die verschwundene, ein wenig promiskuitive Frau eines Rechtsanwaltes. Die ist seit einer Kajakfahrt abgängig. Immerhin: das Boot kann Kuhala auftreiben. Die Anwohner des Paddelgewässers sind teils recht merkwürdig und keine große Hilfe für  die Verbrecherjagd. Ansonsten ist alles da was einen finnischen Krimi ausmacht. Sehr viele Spirituosen und Mittsommernachtsfeiern sowieso aber auch allerlei Skurrilitäten. Stefan Moser  hat die herzerquickende Prosa von MARKKU ROPPONEN offensichtlich engagiert übersetzt. Dass Kuhala seine zwei verstorbenen Geckos (?) kremieren lässt und ihnen einen Grabstein setzt, weckt allerdings Zweifel. Möglicherweise handelte es sich doch eher um Agamen...

 

Der Krimi für den Teenie

Aus der Perspektive einer Schülerin erzählt KATJA BRANDIS  die Geschichte von Antonia, die in einer Diskothek tot zusammenbricht und von ihrer Klassenkollegin Ricky, die nicht an eine natürliche Todesursache glaubt. Brandis versetzt sich in die Welt einer Siebzehnjährigen mehr oder weniger überzeugend hinein, wirkt jedoch mitunter etwas zu betulich. Immerhin hat sie mit Ricky eine eigenwillige Heldin erfunden, die keine „normale" Kindheit hatte, sondern diese im Gefängnis bei ihrer inhaftieren Mutter verbrachte. Aus dieser Zeit kennt sie Menschen, die Verbindung zur Unterwelt haben und diese Beziehungen benützt Ricky, um Antonias Geheimnis und dem Mörder auf die Spur zu kommen. Fragt sich nur, wer heutzutage im passenden Alter für diesen Thriller noch imstande ist, sich auf die 364 Seiten Text von LIBELLENFÄNGER (Piper) zu konzentrieren.

 

 

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by