Februar 2010 Archives

Ein Schubs zur rechten Zeit

Manchmal nimmt man sich vor, ein Buch anzulesen, dann landet es irgendwo im Stapel weiter unten und im Nachhinein kann man nicht sagen, warum es da eine Zeitlang in den Untergrund gegangen ist. Passierte neulich mit Reinhardt Badegruber. Das ist schade, denn Die erste Geige spielt der Tod (Wien live edition) ist  erfrischend hinterfotzig. Möglicherweise hat der ORF-Redakteur Badegruber in seiner Kindheit die Violine kratzen müssen und ein lebenslanges Trauma davongetragen. Jedenfalls hört es sich ganz so an, wenn man seine maliziösen Bemerkungen über unbegabte, geigenmalträtierende Schüler und ekelhafte Geigenlehrer liest. Das Konservatorium ist eine Schlangengrube mit aufgeblasenen Selbstdarstellern, wo es kein Verlust für die Menschheit ist wenn so ein Kotzbrocken aus dem Fenster fällt. Der von den Kritikern gehätschelte, geniale Professor hat sich in die Tiefe gestürzt, heißt es, die Wiener Gesellschaft ist ganz furchtbar betroffen. Aber war das wirklich ein Selbstmord? Hat sich vielleicht ein gedemütigter Schüler mit einem Schubs zur rechten Zeit gerächt? Oder ein missgünstiger Kollege? Ein herrlich boshafter Krimi mit Lachgarantie!

 

 

 

Nebenbei bemerkt

Soso, Frauen lesen  mehr Krimis als Männer, weil sie sich mehr vor Gewalttaten fürchten, will eine Studie an der  Universität Illinois herausgefunden haben. Die Angst der Frauen würde durch diese Art der Unterhaltung aber noch größer, sodass sie dann noch mehr Krimis läsen. Da müssten doch die Verlage schon längst in Massen von Geld schwimmen. Was sie bekanntlich nicht tun. Aber, da folgt noch ein zweiter Teil der Studie: Frauen suchten in Krimis auch nach Tipps, wie sie in Notsituationen überleben können. Krimis als Ratgeber? Das ist doch recht  zweifelhaft. Wer keine Knarre hat, deren Chancen stehen schlecht. Alternative Kampfsport? Wegen des Aufwandes auch nicht sehr realistisch. Immerhin, wer Krimis liest, kann fixe Rollenvorstellungen aufweichen; immer öfter gibts  da sowohl scharfsinnige als auch schlagkräftige Frauen, die sich nicht wimmernd an die Wand drücken, wenn der Böse sie würgen will. Also, in diesem Sinne: mehr Krimis, weniger fürchten!

Das Biest aus dem Eis

IMG_0400.jpg
"Hier und da ragten Stücke von duklem Permaeis aus der Schneedecke wie die Knochen prähistorischer Tiere..."
Alaska-Drama mit Ungeheuer: eine Handvoll Wissenschaftler untersuchen einen schmelzenden Gletscher und da ihre eigene Uni die Expedition nicht finanzieren kann, werden sie von einem TV-Sender gesponsert. Der will eine Doku drehen und  es lässt sich alles  gemütlich an, ist allerdings auch recht vorhersehbar. Seit es -nicht nur - den US-Unis an Geld mangelt, muss man sich bestmöglich verkaufen. Ein „sensationeller" Wissenschaftsbericht soll produziert werden, diesmal wird das aber ein wenig zu sensationell. Die scharfen Kontraste zwischen den Wissenschaftlern, die eigenbrötlerisch ihre Proben im kurzen Tageslicht sammeln und der eingeflogenen Filmcrew mit ihren absurden Ansprüchen an Komfort und „Setting" sind sehr witzig beschrieben. Ein gruseliges Vieh, das vor tausenden von Jahren im Eis schockgefroren wurde, ist ein toller Aufhänger, zumal das Ungeheuer keiner bekannten Spezies angehört. Es kommt wies kommen muss. Trotz der Warnungen ortsansässiger Schamanen nimmt das Unheil seinen Lauf und nicht nur die Medien-Hyänen lernen das Fürchten. So mystisch wie Meister Lovecraft wird Lincoln Child das nie hinkriegen. Nullpunkt (Wunderlich) ist nicht wirklich ein Krimi, aber er passt in diese elend lange Winterzeit: zum Trost - anderswo ist es noch kälter.

 


Modern im Stausee

Malerische alte Häuser und romantische Alpenschluchten, mittendrin ein einzelgängerischer Detektiv in einer anscheinend nahezu heilen Welt - Andrea Fazioli schildert seine Heimat Tessin mit Liebe aber ohne Schönfärberei. In den Gebirgstälern wüten die Elektrizitätsgesellschaften, die Wildwasser werden gestaut; es geht um  Energie und Geld, die alten Bauernhöfe modern in den Stauseen. Auch das Heimathaus des Detektivs Elia Contini ist einst in den Fluten versunken und am selben Tag ist sein Vater, ein pensionierter Polizist, verschwunden. Nun will man den See erweitern, noch mehr Grundstücke werden der Elektrizitätsgewinnung zum Opfer fallen und die alten Geschichten und Gerüchte vom Kampf um die Häuser werden wieder virulent. Der Krimi Am Grund des Sees (btb)  von Andrea Fazioli lebt von der reizvollen Mischung aus südlicher Atmosphäre und Gebirge.

 

Ein böser Verdacht

  Sie hat geglaubt, sie führe eine glückliche Ehe. Dann standen plötzlich Polizisten vor ihrer Tür und teilten Eleanor mit, dass ihr Ehemann tödlich verunglückt sei. Und mit ihm saß eine ihr unbekannte Frau im Wagen. Diese Unbekannte wird für Eleanor zu einem Alptraum. Während die Polizei den Verkehrsunfall zu den Akten legt, konzentriert sich die Witwe darauf, herauszufinden, ob Greg, dem sie vollkommen vertraute, mit dieser Frau ein Verhältnis hatte. Eleanors obsessive Spurensuche führt sie zu der Cateringfirma, wo Milena gearbeitet hat. Deren Geschäftspartnerin ist durch den Tod von Milena in ein Bürochaos geschlittert und Eleanor bietet sich an, ein wenig auszuhelfen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, stellt sie sich mit dem Namen ihrer besten Freundin vor. Bald wird ihr klar, dass diese Milena eine wahre femme fatale gewesen ist und ihre sexuelle Anziehungskraft für beinharte Machtspiele eingesetzt hat. Was aber Eleanors Frage noch immer nicht beantwortet: was hat Greg mit dieser Frau verbunden? Nicci French kann die Verzweiflung, die Zweifel, die Eifersucht und die Hoffnungen ihrer paranoiden Protagonistin überzeugend schildern. Der Grat zwischen „noch normal" und krankhaft „besessen" ist sehr schmal, French ist eine Balancekünstlerin und so bleibt Seit er tot ist (C.Bertelsmann) spannend bis zuletzt.

 

 

AutorInnen

instant™ Design Wien
Site by